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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Spekulanten an, sie sollten gefälligst ihre Schulden begleichen, und zwar mit echtem Geld. Es gab aber kein echtes Geld – das Land war ja noch nichts wert. Innerhalb von zwei Monaten machten 343 Banken dicht – fast jede zweite in Amerika. Über Nacht war alles anders geworden. Der Staatshaushalt war zwar noch in Ordnung, aber das ganze Land verarmte. Es dauerte zwei Jahre, diese Rezession zu überwinden.
    Seitdem sind Politiker vorsichtiger dabei geworden, sich in die Angelegenheiten von Banken einzumischen.
    Drittens: Wenn Amerikaner den Kapitalismus kritisieren (doch, doch, das gibt es), dann knöpfen sie sich mit Vorliebe die »corporation« vor – die Aktiengesellschaft. Alles, was am Kapitalismus böse ist – verantwortungslose und raffgierige Spekulanten, grausame Ausbeutung der Beschäftigten, kurzsichtiges Profitdenken –, lässt sich an dieser Institution festmachen.
    Die »corporation« wird von Managern geführt, die wiederum bloß ihren Shareholdern verantwortlich sind – und diese wollen nur Profit, und zwar schnell. Niemand trägt Verantwortung – eine Aktiengesellschaft kann Schaden in Milliardenhöhe anrichten, der Shareholder verliert höchstens seinen Einsatz.
    Es passt wie die Faust aufs Auge, dass unser Land aus genau diesen Ungeheuern entstanden ist:
    England wurde schon langsam neidisch, als sich um 1600 herum Spanien, Portugal und Frankreich zu Weltreichen entwickelten. Spanische und portugiesische Konquistadoren gründeten fröhlich eine Kolonie in Südamerika nach der anderen und schickten tonnenweise Schiffsladungen voller Gold und Silber nach Hause.
    Obwohl der Zug längst abgefahren war, wollte die englische Krone auch gern im Spiel der großen europäischen Mächte mitmischen. Sie hatte nur ein Problem: nämlich kein Geld.
    Also musste die Privatwirtschaft ran. Einige Investoren hatten da eine Idee. Sie erwähnten jene neue Erfindung, von der die Holländer die ganze Zeit schwärmten: die Aktiengesellschaft.
    Diese besaß nicht unerhebliche Vorteile. Wer nicht genug Geld hatte, ein Schiff zu kaufen und nach Amerika zu schicken, konnte sich mit anderen Investoren zusammentun und das Ding gemeinsam bauen. Und das Beste war: Ging das Schiff zu Bruch, musste der Investor nicht für den ganzen Schaden aufkommen, er verlor bloß seinen Einsatz.
    Die Virginia Company (ja, die mit der Lotterie) bekam also von der englischen Krone die Erlaubnis, eine bestimmte Region in Amerika zu besiedeln, und begann Anteile zu verkaufen. Ein Anteil kostete etwas über 12 Pfund, rund sechs Monatslöhne eines Arbeiters. Fast 1.700 Investoren meldeten sich, darunter einfache Männer und Frauen, adelige Gentlemen und ganze Handwerkerzünfte.
    1606 landeten 144 Personen mit drei Schiffen in Chesapeake Bay – und merkten schnell, dass hier kein Gold zu holen war. Damit war die ganze Investition, wie so oft bei großen, hochfliegenden Plänen, futsch. Der Beginn einer langen und noblen amerikanischen Tradition …
    Es sei denn – die Kolonisten konnten etwas finden, das Profit abwarf.
    So hat das mit Amerika begonnen: nicht mit hehren Idealen, nicht mit dem Auftrag, zur Herrlichkeit und Macht des Königshauses beizutragen, auch nicht mit religiöser Verfolgung, wie wir das immer behaupten. Wir waren schlichtweg eine Aktiengesellschaft, die nach Profit suchte.
    Seitdem ist für Amerikaner die Aktiengesellschaft so normal wie ein romantisches Fertiggericht vor dem Fernseher am Abend.
    Während Menschen in anderen Ländern ihre Ersparnisse auf Sparbücher packen, investieren wir an der Börse. Selbst unsere Rente. Und wenn »corporations« wie Enron, Tyco, WorldCom oder Lehman Brothers, die von Kriminellen oder einfach nur von Idioten geführt wurden, baden gehen, geht unsere Rente eben mit den Bach runter.
    Mein Vater zum Beispiel fertigte in Hawaii in seiner Freizeit Bilderrahmen. Zuerst in unserer Garage, dann in einem kleinen Laden. Der Laden lebte davon, dass seine Frau und seine Kinder (also wir) mitarbeiteten, wenn er tagsüber seiner eigentlichen Beschäftigung nachging. Das Geschäft warf kaum Profit ab. War seine Kleinstfirma ein Familienunternehmen? Eine GmbH? Eine »Ein-Euro-Firma«? Nein, es war natürlich eine Aktiengesellschaft.
    Auch New York selbst, Heimat so vieler gefürchteter Wall Street-Corporations, wurde durch eine Aktiengesellschaft gegründet.
    New York war die einzige nicht-britische Kolonie in Neuengland. Sie gehörte den Holländern, und im 17. Jahrhundert verstand niemand vom

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