Planeten 03 - Venus
guten Allgemeinzustand befand. Er war schon etwas älter, ungefähr in Duchamps Altersklasse und behauptete, er selbst habe sich noch nie einer Verjüngungstherapie unterzogen. Dennoch kam er mir verdächtig jung vor: Das einzige Indiz für sein Alter war das schüttere Haar, das er zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Er war ein Schwarzer aus Jamaika, und aus irgendeinem Grund fiel es mir immer schwer, das Alter schwarzhäutiger Menschen zu schätzen. Er machte immer einen ernsten, gar melancholischen Eindruck. Die Augen schienen chronisch blutunterlaufen zu sein.
»Hier gibt es wirklich nicht viel für Sie zu tun, nicht wahr?«, fragte ich ihn einmal, während er mich mit dem Diagnosescanner untersuchte.
»Seien Sie froh drüber, Mr. Humphries«, antwortete er, ohne die rotgeränderten Augen von den Anzeigen abzuwenden.
Trotz des ernsten Gesichtsausdrucks summte er ständig vor sich hin, und zwar so leise, dass man es kaum hörte. Es glich einem unmodulierten Hintergrundrauschen. Er hatte einen singenden Tonfall. Und wenn ich die Augen schloss, vermochte ich mir vorzustellen, wie seine griesgrämige Miene einem fröhlichen Lächeln wich.
»Sie können sich wieder anziehen«, sagte er, als der Scannerbügel nach oben schwenkte und in die Nische im Schott der Krankenstation zurückfuhr.
»Werde ich überleben, Doktor?«, fragte ich im Scherz.
Er nickte knapp und sagte: »Ihr Triglyzerid-Spiegel steigt. Zu viele Süßigkeiten. Muss ich die Ausgabemaschine vielleicht verplomben?«
Ich lachte. »Ich bin der Eigner dieses Schiffs, erinnern Sie sich? Ich könnte jede Sperre aufheben, die Sie in den Kombüsencomputer eingeben.«
»Dann müssen wir auf Ihren gesunden Menschenverstand vertrauen. Sie brauchen mehr körperliche Ertüchtigung und weniger fettes Essen.«
Ich nickte. »Richtig.«
»Sonst sind Sie in einer ausgezeichneten Verfassung.«
»Wo alle gesund sind und keine Unfallopfer zu versorgen sind«, fragte ich, während ich die Klettverschlüsse des Hemds zumachte, »wie füllen Sie eigentlich die Zeit aus?«
Sein chronisch ernster Gesichtsausdruck hellte sich etwas auf. »Ich verfasse meine Dissertation. Ich habe die Stelle extra angetreten, um Zeit zum Schreiben zu haben.
Ohne Ablenkungen! Ohne Störungen. Keine Entschuldigung, es vor sich herzuschieben.«
»Und was ist das Thema Ihrer Dissertation?«
»Die grundlegenden Übereinstimmungen der Organismen des Mars, der Jupitermonde und der Erde.«
»Nun«, sagte ich, »vielleicht finden wir auch ein paar Organismen auf der Venus, um Ihr Thema auf eine breitere Grundlage zu stellen.«
Da lächelte Dr. Waller. Es war ein strahlendes Lächeln, das seine weißen Zähne zeigte.
»Das glaube ich nicht, Mr. Humphries. Ich habe diese Mission vor allem aus dem Grund gewählt, weil ich eben nicht mit neuen Daten rechne, die meine Arbeit nur zusätzlich komplizieren würden.«
In der ersten Woche des Flugs begegnete ich Marguerite Duchamp genau zweimal. Das erste mal war kurz nach dem Verlassen der Erdumlaufbahn.
Nachdem wir sicher durchs Schlüsselloch geschlüpft waren und uns auf der richtigen Trajektorie zur Venus befanden, übertrug Captain Duchamp Rodriguez das Kommando auf der Brücke und bat mich, mit ihr in die Kapitänskajüte zu gehen, wie sie ihre Unterkunft bezeichnete. Die Kabine lag direkt neben der Brücke, von meinem Quartier aus nur ein paar Schritte über den Gang.
»Ich möchte Sie mit der Biologin der Expedition bekannt machen«, sagte sie über die Schulter, als sie die Kabinentür öffnete.
»Ihre Tochter«, sagte ich beim Betreten der Zelle.
Es war eine ziemlich kleine Kabine, die kaum genug Platz für eine Koje und einen Klapptisch bot. Sie stand vor der Koje und nahm Kleidungsstücke aus einer Reisetasche auf dem Bett. Sie drehte sich nicht um, als sie hörte, wie die Tür aufging.
»Marguerite, ich möchte dich dem Eigner dieses Schiffs vorstellen.«
Sie wandte sich um und wirkte leicht erstaunt. Ich muss wohl auch erstaunt dreingeschaut haben. Perplex, genauer gesagt. Marguerite war ein Ebenbild ihrer Mutter. Jünger natürlich und nicht so angespannt und einschüchternd, doch von einer solchen körperlichen Ähnlichkeit, dass ich sie im ersten Moment für einen Klon hielt.
Die gleiche große, schlanke Figur. Die gleichen ziselierten Wangenknochen und das kräftige Kinn. Die gleichen schwarzen Augen und das rabenschwarze Haar.
Doch im Gegensatz zur herrischen und dominanten Mutter wirkte die Tochter
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