Plasma City
greift in die Rüschen auf ihrem Handgelenk, um das Zittern zu unterdrücken.
»Äh …«, macht Rohder. »Wo genau muss ich eigentlich nachsehen?«
Aiah beugt sich vor und betrachtet die Karten. Sie versucht, ihren Weg nachzuzeichnen und setzt einen Finger energisch auf die Karte, damit man nicht sieht, wie unsicher sie ist. »Hier«, sagt sie. »An der Südseite der Straße. An die Hausnummer kann ich mich nicht erinnern.«
Rohder verzieht das Gesicht. »Aber es gibt einen öffentlichen Zugang?«
Die Gesetze sind sehr streng, wenn es darum geht, die Anima in den ›privaten und persönlichen Bereich‹ anderer Menschen zu schicken. Dazu sind mehrere, schwierig zu erlangende Genehmigungen erforderlich. In öffentlichen Bereichen, womit Flure, Treppen und Gänge in einem Wohnhaus gemeint sind, darf Rohder sich allerdings frei bewegen.
»Ich bin mir über die Details nicht völlig im Klaren«, sagt Aiah, »aber ich glaube, es ist ein öffentlicher Bereich.«
Rohder zieht an der Zigarette und betrachtet niedergeschlagen die Karte. »Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich den Bezirk auf dem Luftweg angehe. Große Plasmakonzentrationen kann man leicht zum Ursprung zurückverfolgen.«
»Aber kann man damit überhaupt etwas finden?«, fragt Aiah. »Wie viele tausend Menschen benutzen in einem beliebigen Augenblick Plasma auf völlig legale Weise?«
»In so einem Viertel?«, überlegt Rohder. »Dort dürften nur sehr wenige Menschen Plasma in großen Mengen benutzen. Es ist ein Arbeiterviertel, in dem es kaum heimische Industrie gibt.«
Und vor allem, denkt Aiah, gibt es dort garantiert nicht viele Leute, die Plasma aus Sendeantennen abstrahlen, die hinter Reklametafeln versteckt sind. Sie spürt, wie sich der Angstschweiß in ihrem Nacken sammelt.
»Brauchen Sie sonst noch etwas?«, fragt sie.
»Hmm?« Er hängt schon wieder seinen eigenen Gedanken nach. »Nein«, sagt er. »Ich glaube nicht. Vielen Dank.«
Aiah geht hinaus, die Füße knirschen im Betonstaub. Sie spielt mit dem Gedanken, zur Lobby zu laufen und die Nummer anzurufen, die Constantine ihr für Notfälle gegeben hat, damit sie Dr. Chandros eine Nachricht hinterlassen kann.
Aber dann fährt ihr ein eiskalter Schrecken durch die Glieder, als ihr bewusst wird, dass dies möglicherweise keine sehr gute Idee wäre. Vielleicht wird sie ja schon längst beobachtet. Die Schnüffler von der Fahndungsabteilung der Behörde sind ihr womöglich längst auf den Fersen, entweder persönlich oder mithilfe einer Anima. Vielleicht war das Gespräch mit Rohder nur ein Trick, damit sie in Panik gerät und etwas Dummes tut.
Sie kehrt ins Büro zurück, nach und nach kühlt der Schweiß auf ihrer Stirn ab. Irgendwie schafft sie es, den Tag zu überstehen.
Der Aufzug, mit dem sie nach Dienstschluss nach unten fährt, kommt ihr heiß und stickig vor. Er scheint eine Ewigkeit zu brauchen, bis er im Erdgeschoss ankommt. Nachdem sie so schnell sie es wagte aus dem Gebäude gelaufen ist, muss sie einige qualvolle Minuten am Bordstein herumstehen, weil der Wagen noch nicht da ist. Als der Elton endlich kommt, wartet sie nicht, bis Martinus ihr die Tür aufhält, sondern steigt rasch ein und sitzt dem erschrockenen Constantine gegenüber. Im Wagen können sie ungestört reden, denn die Limousine hat einen Bronzekollektor, der die Anima etwaiger Eindringlinge auflösen kann.
»Die Behörde will im Bereich des Terminals eine Fahndung nach Plasmadieben durchführen«, berichtet Aiah. »Du musst die Fabrik schließen.«
Constantine runzelt die Stirn. »Was für eine Fahndung?«
Der Wagen beschleunigt stark, Aiah schwankt einen Augenblick auf dem Sitz.
»Eine Anima-Suche«, erklärt sie. »Aus der Luft, um nach großen Plasmaströmen zu suchen, und unterirdisch, um noch nicht erschlossene Quellen zu finden. Ich habe es gerade erst erfahren.«
»Wann wird das passieren?«
Aiah zögert. »Wer weiß?«, antwortet sie. »Höchstwahrscheinlich schon morgen, aber sie könnten auch schon begonnen haben. Starke Plasmaströme fallen in der zweiten Schicht stärker auf als in der ersten. Und wenn du das Plasma vom Dach aus sendest …«
»Such mir ein öffentliches Telefon«, sagt Constantine zu Martinus.
Er ruft die Fabrik an und sagt den Leuten, sie sollen die Arbeiten einstellen und sich zu einer Krisensitzung in den Mage Towers treffen.
■ ■ ■
Als der Wagen zu den Mage Towers rast, überlegt Aiah sich, ob sie Constantine erklären soll, dass die Fahndung nicht
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