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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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vorhandene Schwachstellen für ihre Angriffe aussuchten. Das Mal verschwand allmählich, aber sie befürchtete, ein Wulst würde zurückbleiben. Wieder eine Narbe mehr. Schlimmer war allerdings, dass sich ihre Füße in den harten Stiefeln wund gerieben hatten, weil sie nichts sagen wollte, wenn die Männer zu schnell und zu lange marschierten. Und der Rucksackriemen, der auf die Schlinge der Armschiene drückte, hatte ihre linke Schulter aufgescheuert.
    Wieder sahen sie Helikopter am Himmel. Wieder sahen sie Düsenjäger. Sie stolperten durch ein Gebiet, das von Eidechsen und Schlangen nur so wimmelte, und dann durch einen toten Wald voller toter Käfer. Danach kamen sie leichter vom Fleck.
    Die Sierra hatte ihren dritten Tag im Schneesturm erlebt, als sich die Pest auszubreiten begann. Der Blizzard hatte viele Fahrzeuge lahmgelegt. Sie sahen, dass der Verkehr so um 6500 Fuß zum Stillstand gekommen war. Die Autos standen am Straßenrand oder bildeten hier und da unvermittelt Schlangen. Cam führte die neuen Muster auf schlechte Sicht und glatte Fahrbahnen zurück. An einer Stelle gelang es Newcombe, einen Ford Expedition zu starten: sie legten vierzehn Meilen im Eiltempo zurück. Ein anderes Mal fuhren sie drei Meilen mit einem Lieferwagen und fast zwanzig Meilen mit einem Pick-up. Zu ihrem Leidwesen gab es immer noch viele Blockaden und Unfallstellen, insbesondere an den Wegbiegungen. Im Schnee hatten sich die Kurven in Fallen verwandelt. Sie mussten alle drei Fahrzeuge an solchen Hindernissen zurücklassen. Tausende von Allrad-Autos, Militärlastern und Panzern hatten sich im Blizzard bergauf gekämpft, dazu kleine Schneemobile und eher ungewöhnliche Gefährte wie Traktoren und Feuerwehrautos – alles, was robust genug war, sich durch den Schnee zu pflügen. Aber selbst diese Vehikel hatten sich zu wirren Haufen und Barrieren zusammengeschoben. Wo immer ein Fahrzeug anhalten musste, waren andere aufgefahren oder im weiten Bogen ausgewichen und im Tiefschnee stecken geblieben, weil die Fahrer in Panik gerieten, bluteten oder einfach nichts mehr sahen.
    Newcombe durchstöberte die meisten Militärlaster. Er suchte nicht nur nach Essbarem und nach Batterien, sondern auch nach Kleidung. Sie trugen alle ganz gewöhnliche Sachen, die sie in Sacramento mitgenommen hatten, aber Newcombe zog es vor, eine fleckige Army-Uniformjacke überzustreifen. Seine Ausbildung und seine Erfahrung hatten ihm von Anfang an Halt gegeben. Doch das hier war etwas anderes. Ruth glaubte, dass er sich nicht vorwerfen wollte, gegen die Ehre des Militärs verstoßen zu haben, wenn sie irgendwann in Gefangenschaft gerieten oder getötet wurden. Er hatte den Wunsch, bis zuletzt zu seiner Truppe zu gehören, und dafür bewunderte sie ihn.
    Sie schlief nicht gut. Sie träumte viel und wachte trotz ihrer Erschöpfung immer wieder auf, als übersteuerte ihr Verstand und versuchte hektisch, die Ereignisse zu verarbeiten.
    Dass die Luft dünner wurde, machte die Sache nicht besser. Der Sauerstoffmangel löste Angstgefühle aus. Das Herz schlug schneller, das Gehirn reagierte entsprechend. Cam gab ihr Melatonin und Tylenol PM, zunächst eine kleine Überdosis, dann bis zu fünf Tabletten auf einmal. Er versuchte es sogar mit Antihistaminen, weil sie schläfrig machten. Aber immer noch zuckte und murmelte Ruth im Schlaf.
    Die Albträume waren real.
    »Nichts anrühren«, sagte Newcombe im Rückwärtsgehen. Der Wind zerrte an ihm. Ein paar faserige Wolken zogen rasch über den tiefblauen Himmel. Ein eisiger Hauch fegte über den nackten Boden und pfiff durch die Ritzen der primitiven, aus Felsbrocken errichteten Hütte.
    Cam spähte in das Innere des niedrigen Unterschlupfs, eine Hand am Pistolengurt – das war wohl eine unterbewusste Abwehrreaktion. »Es scheint eine Art ... Mord-Selbstmord- Situation zu sein«, sagte er.
    Nein, dachte sie. Nein, das glaube ich nicht.
    Die Gipfelregion war ein Ort des Todes. Das Überschreiten der Barriere war ein schwindelerregendes Erlebnis gewesen. Sie entdeckten Tausende in die Felsen geritzte Kreuze. Die Form des Kreuzes beherrschte alles. Hunderte der markierten Steine waren so arrangiert, dass sie größere Kreuze bildeten.
    Manche erstreckten sich über eine Länge von mehr als fünf Metern. Andere bestanden aus winzigen Kieseln. Es musste das Werk unzähliger Tage sein.
    »Gehen wir«, drängte Newcombe.
    »Wir müssen sie begraben.« Ruth konnte den Anblick der verschrumpelten Leichen nicht mehr ertragen.

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