Platon in Bagdad
heißt: »Wenn daher der tönende Körper angeschlagen wird und vibriert, muß eine ähnliche Vibration und ähnliche Bewegung stattfinden in der umgebenden angrenzenden Luft, und diese Erzeugung schreitet nach allen Richtungen geradlinig fort.«
Grosseteste zufolge konnte dieselbe Theorie, die er als »Multiplikation der Species« bezeichnet, die Ausbreitung einer jeglichen Störung erklären, sei es Licht, Schall, Wärme, mechanische Einwirkung oder sogar ein astrologischer Einfluss. Somit war das Studium des Lichts von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der Natur. Das Licht − für ihn nicht nur die sichtbare Strahlung, sondern ebenso das göttliche Urlicht − war die Art und Weise, wie Gott das Universum schuf, und durch das Licht standen Körper und Seele des Menschen in Wechselwirkung.
Das Studium der Optik unterteilte Grosseteste in drei Teile: Phänomene des Sehens, der Spiegelung (Katoptrik, Reflexion) und der Linsen (Dioptrik, Brechung). Der dritte Teil ist ausführlicher als die beiden anderen, weil das Thema, wie er bemerkt, »bis heute unberührt und unbekannt geblieben« war, und schlug Anwendungsmöglichkeiten der Lichtbrechung vor, die schließlich im 17. Jahrhundert durch die Erfindung des Teleskops und des Mikroskopsrealisiert wurden. »Dieser Teil der Optik nämlich zeigt, wenn er vollständig bekannt ist, wie man Dinge, die sehr weit weg sind, so erscheinen lässt, als seien sie ganz nah, als wenn sie in der Nähe platziert wären … kleine Dinge in der Ferne erscheinen so groß, wie es uns gefällt …, so dass es uns möglich sein könnte, die kleinsten Buchstaben auf unglaubliche Entfernungen zu lesen oder Sand oder Körner oder Samen oder jegliche Art kleinster Gegenstände zu zählen.«
Mit seiner Theorie der Lichtbrechung versuchte er, die Bündelung des Lichts durch ein »Brennglas« oder eine sphärische Linse zu erklären. Ein Experiment hätte ihm gezeigt, dass sein Brechungsgesetz fehlerhaft war, doch vermutlich hat er es nie überprüft. Dabei war es ein Prinzip seiner wissenschaftlichen Methode, dass eine Theorie hinfällig ist, wenn ihr die reale Beobachtung widerspricht.
Seine wissenschaftliche Methode wird in der Abhandlung
Der Regenbogen
deutlich, in der er mit der aristotelischen Theorie brach, indem er behauptete, der Regenbogen sei auf gebrochenes und nicht auf reflektiertes Licht zurückzuführen. Obwohl seine Theorie irrig war, stellte er die Problematik auf eine Art und Weise dar, die seine Nachfolger durch die Kritik dieser Bemühungen der richtigen Lösung näher brachte. Den französischen Dichter Jean de Meung inspirierte
Der Regenbogen
im Jahr 1270 in seiner Fortsetzung zum
Rosenroman
von Guillaume de Lorris zu einigen Versen
.
Dort erzählt er, wie die Wolken, »um die Welt zu erfreuen«,
… einen Bogen in die Faust zu nehmen pflegen
oder auch zwei oder drei, wenn sie wollen,
die Regenbogen genannt werden,
von denen niemand weiß, es sei denn ein guter Magister,
der die Optik zu lehren versteht,
wie die Sonne sie bemalt,
wie viele und welche Farben sie haben
und warum so viele und warum diese,
und die Ursache ihrer Gestalt …
In Grossetestes Schriften finden sich nur wenige Hinweise, dass der Verfasser Christ und Bischof war, doch in seiner Abhandlung
De finitate motus et temporis
wich er von der aristotelischen Lehre ab, dass das Universum ewig sei, denn das widersprach seinem Glauben an die Schöpfung Gottes. Sein christlicher Glaube zeigt sich auch in der Schrift
De ordine emanandi causatorum a Deo
, wo er seinem Wunsch Ausdruck verleiht, dass die Menschen aufhören sollten, die biblische Schöpfungsgeschichte in Frage zu stellen.
Unter den schon erwähnten Schriften zur Astronomie ist eine der wichtigsten
De sphaera
, in der er Elemente der aristotelischen wie auch der ptolemäischen theoretischen Astronomie erörtert. Um die aristotelische und ptolemäische Astronomie geht es auch in dem Buch zur Kalenderreform,
Computus correctorius
, wo er Ptolemäus’ System der Exzenter und Epizykel auf die Berechnung der Planetenbahnen anwendet, wobei er anmerkt: »Diese Arten der Himmelsbewegung sind nach Aristoteles nur in der Phantasie möglich und in der Natur unmöglich, weil nach seiner Ansicht alle neun Sphären konzentrisch sind.« In seiner Schrift
Über die Prognostizierung
schrieb Grosseteste auch über astrologische Einflüsse, doch später verurteilt er die Astrologie und bezeichnet sie als Betrug und eine listige Täuschung des
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