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Plattenbaugefühle: Jugendroman

Plattenbaugefühle: Jugendroman

Titel: Plattenbaugefühle: Jugendroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jannis Plastargias
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…«, so kenne ich Papa nicht, er ringt nach Worten, gar nicht so manager-like wie es sonst seine Art ist, er zermatscht seine Kartoffel im Teller, er sucht den Blick der Mutter, jetzt schaut er mich direkt an, »na, wenn du …schwul wärst!« sagt er und stopft sich eine halbe Kartoffel in den Mund.
    »Schwul! Ich?» Ich raste aus. Die Gabel fällt mir aus der Hand auf den Tisch. Was hat er da gesagt? Meint er das ernst?
    »Eier?« Sie reicht mir die Schüssel mit den halbierten Eiern. Meine Nerven liegen blank. »Sie sind von glücklichen Hühnern!« sagt sie anerkennend.
    »Wir hatten schon in Berlin darüber gesprochen, deine Mutter und ich«, mit vollem Mund spricht er sonst nie, »sie versucht mich schon seit Wochen davon zu überzeugen, dass es in Ordnung ist …«
    »Ist sie nicht erfrischend?« Mama ist ganz angetan von der Grünen Soße. Hört sie gar nicht zu, was Papa von sich gibt?
    »Sei schwul, sei bi oder doch hetero!« Hat das eben meine Mutter gesagt? »Ganz wie du möchtest, Jonas!« Oh – mein – Gott! Sie spricht tatsächlich darüber! »Mir ist das ganz gleich, solange du glücklich bist!«
    Ich möchte sofort im Erdboden versinken.
    »Ich sehe es nicht so locker«, sagt Papa und legt sein Messer auf den Tellerrand.
    Mama wendet sich an mich:
    »Der Schritt, nach Kranichstein zu kommen, hat dich schwer mitgenommen. Aber anscheinend hast du hier gleich guten Anschluss gefunden und machst einen glücklichen Eindruck«. Sie schaut mich verständnisvoll an. »Das finde ich schön! Das bestätigt unsere Entscheidung«. Sie zwinkert mir zu und deutet auf meinen Teller: »Probier doch die Grüne Soße!«
    »Ein Vater möchte einen Sohn haben, auf den er stolz ist.« Papas Stimme vom anderen Ende des Tisches klingt kalt.
    »Schwul sein ist ja heutzutage auch normal!« Mama betont das ›auch‹ als wäre es selbstverständlich. »Solange du immer aufpasst, keinen Blödsinn machst, immer schön Kondome benutzt – wirklich lecker diese Grüne Soße! - vertrauensvoll mit dir und deinen Bekanntschaften umgehst!«. Sie redet und isst genüsslich. Wie sie das Wort ›Bekanntschaften‹ betont hat!
    »Ich kann auf ihn stolz sein, wenn er einen guten Schulabschluss hat, eine Berufsausbildung hinter sich bringt, einen gut bezahlten Job ergattert und wenn er eine Familie gründet«, sagt Papa.
    Es ist so, als würden die beiden zwei ganz verschiedene Gespräche mit mir führen. Mein Vater mit seinem ›Spießer-Programm‹ und meine Mutter mit ihrem ›Peace-Love-and-Happiness-Spleen‹. Manchmal denke ich, dass sie in den Sechzigern oder Siebzigern hätte erwachsen sein sollen. Sie hätte ein anderes Leben geführt, meine bunte, coole Mama.
    »Und wenn du nach dem Abitur nach Berlin zurück möchtest, kannst du das ja auch tun. Dein Vater hatte dir ja schon in Berlin gesagt, dass sein Auftrag erst einmal auf fünf Jahre befristet ist.«
    Mama ist die einzige am Tisch, die locker bleibt.
    »Eine Familie! – du weißt schon, so wie wir – Vater, Mutter und Kind.« Papa scheint vertieft zu sein, er rührt in der Grünen Soße, zwischendrin blickt er mich immer wieder eindringlich an.
    »Du machst dein Abitur und danach kannst du ein Jahr bei Oma wohnen. Oder alleine. Wie du willst.« Sie stopft sich die Kartoffel, die Eier und die Grüne Soße in den Mund, als würde sie nichts anderes kennen auf der Welt.
    »Eine Familie, die du ernähren kannst!« sagt Papa.
    »Hauptsache, du bist glücklich!« fügt Mama hinzu und mein Blick wendet sich vom einen zum anderen Gesicht.
    »In Berlin gibt es ja auch sehr viel mehr Möglichkeiten, wenn man schwul ist«, Mama redet einfach weiter - denkt sie wirklich, dass ich schwul bin? - »Die größte Sorge von Eltern ist doch, dass das Kind mit vielen Problemen zu kämpfen hat, wenn es ›anders‹ ist. Und das möchten Eltern nicht!« Sie greift plötzlich nach meiner Hand. Ihre Augen strahlen mich an. »Ach, Jonas! Wir sind immer für dich da. Du kannst uns vertrauen!« sagt sie mit grün verschmierten Lippen.
    Dann wird es plötzlich ganz still am Tisch. Ich erschrecke bis ins Mark.
    »So sehe ich das! Eine Familie!« bricht es aus Papa plötzlich heraus.
    Mama wendet sich ihm zu. Lässt meine Hand frei.
    »Du alter Reaktionär, du Spießer!« ihre Stimme klingt jetzt schrill.
    »Wie bitte?« ruft er verstört aus und fügt ein fragendes »Ich?« dazu.
    »Du bist doch schließlich auch mit mir zusammen, mit der alten Kifferin, esoterisch, durchgeknallt!«
    »Erzähl

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