Plattenbaugefühle: Jugendroman
es von Bedeutung, als würde es mich so verletzen, dass ich es loswerden müsste.
»Tut es dir weh, dass er sich mit einem Mädchen trifft?«
»Mh. Nein. Doch. Ich bin eifersüchtig. Aber nicht so. Also, ich meine, ich habe keine Ahnung.«
»Habt ihr schon miteinander gesprochen? Ruf ihn doch an.« Sie wischt meine Tränen aus dem Gesicht, küsst mich zärtlich auf die Wange, steht auf. »Ich hab dich lieb«, sagt sie ganz sanft, »du kannst immer mit mir reden, egal, um was es geht.«
Danny sprudelt am Telefon über vor guter Laune, er erzählt mir alles über das Treffen mit Giovanna.
»Das liegt alles an dir, Jonas!« schreit er in den Hörer.
»An mir? Wieso das denn?« frage ich verwirrt.
»Sie glaubt, dass du und ich ineinander verliebt sind. Das spornt sie nun an. Sie möchte einen Mann aus mir machen«, sagt er lachend. Als ich nichts antworte, erzählt er vergnügt weiter, »sie wollte sogar, dass ich es mal mit ihr ausprobiere, küssen und fummeln«. Er kriegt sich nicht mehr ein.
Ich finde es nicht lustig. Oh nein, nein, das kann doch alles nicht sein. Mein Vater geht am späten Abend alleine weg, meine Mutter wird auf der Couch schlafen, Fabi hat eine Freundin, Danny jetzt auch.
»Ich komme vorbei«, sagt er ganz aufgekratzt.
»Nein«, sage ich, vielleicht etwas zu laut.
»Was ist denn los mit dir?«
»Nichts!« Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich schweige ihn an. Ich sollte mich mit ihm freuen, kann es aber nicht.
Erst einmal muss ich jetzt mit Omama reden, die ich gerade so sehr vermisse. Ich rufe sie an und erzähle ihr von dem Streit meiner Eltern.
»Ich weiß, sie streiten sich schon länger wegen dir«, sagt sie wütend. »Aber dein Vater wird sich wieder einkriegen. Hab keine Angst!« meint sie nun etwas sanfter.
»Aber ...«, ich schluchze, »glaubst du auch, dass ich schwul bin?«
»Junge, du bist gut, wie du bist! Lass dich nicht verrückt machen.« Ihre Stimme beruhigt mich. »Wen interessiert, ob du Mädchen oder Jungs magst? Du bist ein toller Kerl, das ist das Wichtigste!« Ich höre ihr warmes Lachen. »Deine Eltern lieben dich. Dein Vater ist stolz auf dich, das hat er oft genug gesagt. Und deine Mutter vergöttert dich.«
Ich mag ihre flammende Stimme, die mich tief in mir drin auch warm werden lässt. Sie kann zu anderen Menschen kalt und abweisend sein mit ihrer Berliner Schnauze – die Nachbarn gegenüber macht sie manchmal richtig rund und die Jungs-WG von obendrüber kriegen von ihr regelmäßig Saures, wenn die zu laut Musik hören. Selbst meinen Vater steckt sie in die Tasche, und den kann sonst niemand so leicht zum Schweigen bringen.
Danny. Giovanna. Scheiße!
Ich lege mich aufs Bett und höre alle meine Lieblings-CDs an, die ganze Palette der New Hippie Musik, auch Iron & Wine, die wieder mehr den Fleet Foxes ähneln als MGMT. Ich denke über alles nach, was heute passiert ist, was gesagt wurde, was die anderen über mich denken und Wuffi liegt unter meiner Decke, ganz nah bei mir.
Am nächsten Morgen kriege ich schon um halb sieben eine Kurznachricht von Danny, der sich mit mir noch vor der Schule verabreden möchte. Als er an der Eingangstür steht, umarme ich ihn unsicher. Er drückt mich fest an sich und streichelt meinen Rücken, das tut gut.
Es sprudelt aus ihm heraus - so kenne ich ihn gar nicht, sonst bin ich der Quatschkopp. Irgendwie gefällt mir das, auch wenn das, was er sagt, mich eher eifersüchtig macht. Er erzählt alle Einzelheiten vom gestrigen Abend, wie Giovanna ganz offensiv mit ihm zu flirten begann – wohl unsicher, wie sehr sie Gas geben musste aus Nichtwissen darüber ob sie tatsächlich einen schwulen Jungen vor sich habe oder nicht. Dann gibt er ihr absurdes Gespräch wieder, wie sie anfangs rumdruckst und nicht weiß, wie sie ihren Verdacht ausdrücken soll, dass er und ich ein Paar sind. Und ihre Ungläubigkeit, als er versuchte zu erklären, dass er hetero sei und sie ihm gefalle. Wie sie ihn aufgefordert habe, sie zu berühren, sie zu küssen.
In diesem Moment wird mir alles zu viel, ich beginne zu weinen. Danny ist überfordert und weiß nicht, was er machen soll. Mehrmals fragt er mich, was denn los sei.
»Das fragst du noch?« brülle ich ihn an, aber schon im nächsten Moment lasse ich mich in seine Arme fallen. Als er mich erneut fragt, werde ich plötzlich wütend, ohne zu wissen warum. Er schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an. Es ist mir unmöglich, etwas zu sagen. Ihm fällt auch nichts mehr ein. Wir
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