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Plattenbaugefühle: Jugendroman

Plattenbaugefühle: Jugendroman

Titel: Plattenbaugefühle: Jugendroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jannis Plastargias
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beides meine Kumpel«, rufe ich wütend aus.
    »Was sagen denn deine Freunde?« Das macht mich aggressiv, sie redet gerade mit ihrer Stimme, die sie immer benutzte, als ich noch jünger war, ein Kleinkind. Ich bin doch kein Kleinkind mehr!
    »Ach Mama!« ich kann die Tränen nicht mehr aufhalten, sie nimmt mich in ihre Arme, »sie glauben, dass ich schwul bin«, ich schluchze, »aber bin ich das wirklich? Ich habe keine Ahnung.« Ich habe mich seit langem nicht mehr an ihren Schultern ausgeweint, seit meiner Kindheit. »Ich weiß nur, dass jeder ständig davon anfängt! Und das wundert mich.« Sie streichelt mich am Rücken. »Und langsam frage ich mich, warum jeder möchte, dass ich schwul bin.«
    »Ich möchte nur, dass du glücklich bist, Jonas«, sagt sie zärtlich, »du hast mir schließlich noch nie etwas von Mädchen erzählt.«
    Ich rücke von ihr ab.
    »Sie scheinen dich nicht zu interessieren.«
    »Mama!« rufe ich empört und schäme mich zugleich.
    »Jonas! Du bist so glücklich, wenn du mit Danny im Bett liegst und Musik hörst, so wie du glücklich warst, als du noch deine Zeit mit Fabian verbracht hast.« Das hat sie alles beobachtet? »Auf der einen Seite finde ich das schon normal, aber andererseits ist es etwas ungewöhnlich.«
    »Was ist ungewöhnlich?«
    »Du ziehst dich so hübsch an!« sagt sie und zeigt auf die Klamotten, die ich gerade trage, »vergleiche dich doch mal mit Danny, mit seinen schwarzen Klamotten, immer leicht ungepflegt erscheinend. Und du – schau dich an! – du bist bunt, immer passt alles zusammen, deine Haare sitzen, du siehst immer perfekt aus.«
    »Ich dachte, du findest meine Outfits verratzt.«
    »Blödsinn, ich ziehe dich doch nur auf mit solchen Sachen. Ich habe einen wundervollen Sohn, der sich anzieht wie ein Bravo-Star, auf den alle Mädels fliegen – und Jungs«, zwinkert sie mir zu.
    Sie umarmt mich wieder und ich weine weiter wie ein Schoßhündchen.
    »Übrigens hast du ›das‹ von mir, dieses Stylisch-Sein, dieses Anders-Sein, nicht so langweilig wie die anderen« Ihre Stimme klingt stolz. »Wir sind anders und fühlen uns gut dabei!« Sie gibt mir einen zarten Kuss auf die Wange. »Lass deinen Vater sich ruhig in seinem Spießerdasein suhlen. Er ist ein guter Mensch, er meint das alles nicht so!«
    »Ich möchte nicht, dass ihr Streit wegen mir habt.«
    Wir hören, wie mein Vater die Tür knallen lässt, von draußen.
    »Ach, er muss sich abregen«, sagt sie. »Das wird schon, Jonas, mach dir keine Sorgen. Alles ist gut mit dir. Er wird sich beruhigen. Lass ihm Zeit.«
    Hier wird überall so getan, als ob ich schwul sei, dabei bin ich mir noch nicht einmal selbst sicher. Merkwürdig. Seitdem ich in Kranichstein wohne, führe ich solche Gespräche. Mit Danny, mit Aris, vorhin mit Fabi, jetzt mit meinen Eltern.
    Ich schaue sie verwirrt an.
    Doch sie findet die richtigen Worte, den passenden Ton, das Verständnis für meine Situation. Sie hat Bücher gelesen, sich den Kopf darüber zerbrochen, dass nun alles in Kranichstein passiere, denn hier sei nicht das weltoffene Berlin.
    »›Der Bub ist gut, so wie er ist!‹ sagt deine Omama immer.«
    »Sagt sie?« frage ich irritiert nach.
    Jetzt bin ich wirklich überrascht. Sie denkt das auch? Meine Omama? Sie reden alle über mich, haben Ahnungen und wissen angeblich noch vor mir Bescheid, was mit mir los ist. Oh Mann! Das kann doch alles gar nicht wahr sein!
    »Wirke ich so schwul, dass alle Welt weiß …« rufe ich erschreckt.
    »Jonas, du warst immer schon anders. Das ist eben so. Es ist, wie es ist. Wir lieben dich, so wie du bist.«
    »Und Papa?«
    »Du bist sein einziges Kind, sein einziger Sohn. Er möchte doch auch nur das Beste für dich!«
    »Er wird es nie akzeptieren!«
    »Jonas!« Sie schaut mich nun an, wie sie mich noch nie vorher angeschaut hat, so eindringlich, so ernst und so, als ob ich erwachsen wäre, »du musst es zuerst akzeptieren, du allein!«
    Eine unbeschreibliche Angst vor der Zukunft überrollt mich.
    »Und er?«
    »Er hat eben genaue Vorstellungen, wie sein Sohn leben sollte. Aber schau mal, er ist doch mit mir zusammen, ich bin doch auch ›anders‹, und er hält es seit Jahren mit mir aus. Seit Jahrzehnten!«
    »Aber was ist mit dir? Hast du auch solche Vorstellungen wie Papa?«
    »Ich? Du kennst mich doch. Mach dir keine Sorgen, Schatz, dein Vater kriegt sich wieder ein. Kümmere dich um dich selbst.«
    »Danny hat ein Date mit Giovanna.« Warum sage ich das jetzt? So als wäre

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