Plattenbaugefühle: Jugendroman
Bierglas, spontan drehe ich mein Gesicht in seine Richtung. Die Augen leuchten wie Sterne.
»Lass uns kickern!«
»Kickern?« Meint er das ernst? Ich folge ihm, noch bevor ich seinen Vorschlag bejaht oder verneint habe. Was bedeutet ›kickern‹? Mein Körper fühlt sich in seiner Nähe ganz schwach an. Ich habe ein Kribbeln im Bauch. Oh Mann, das ist dieses Gefühl, wovon Aris sprach. Krass! Afyon führt mich in einen Nebenraum, wo der Tischfußball steht. Oh nein, ich kann das nicht! – egal, ich bin in seiner Nähe – und das ist sehr schön. Ich würde alles mitmachen.
Von Weitem winkt mir Danny zu und ich kann sehen, wie er eine obszöne Geste in meine Richtung macht. Das sind doch alles Schwachmaten. Ich bin ganz aufgeregt, weil ich eine Niete bin. Afyon allerdings freut sich so sehr darüber, dass er mich platt macht, dass er sich gar nicht darum kümmert. Er erscheint mir ein bisschen kindisch und gar nicht cool. Aber schrecklich süß dabei. Was denke ich da? Ich bin ganz durcheinander. Ich bin wirklich schwul! Ich bin aufgeregt und möchte die ganze Zeit lachen, während ich ihn anschaue und er sich wie ein kleines Kind über jedes Tor freut. »Noch eins«, »noch eins«, ruft er nach jedem seiner Siege aus. Er kann gar nicht genug kriegen. »Mann, bin ich gut!« sagt er andauernd, während meine Gedanken durcheinander wirbeln.
Wenn ich dieses Spiel beherrschte, ließe ich ihn trotzdem gewinnen, einfach weil das alles so niedlich an ihm ist. Mein Magen ist so flau. Meine Knie zittern, ich habe einen Frosch im Hals, der nicht mehr aus mir heraus möchte. So ist also Verliebtsein? Fühlt er das auch? Hat Afyon das alles auch? Es wirkt zumindest nicht so. Shad M. und Nico stellen sich zu uns und erzählen von der Bundesliga. Afyon blüht auf. Er ist in seiner Welt.
»Welche Mannschaft findest du gut?« fragt er mich. Ich habe dazugelernt. Nie zugeben, dass ich diese Sportart nicht mag. Bayern, weiß ich mittlerweile, darf ich nicht nennen, in Kranichstein fallen auch Schalke und Dortmund weg.
»HSV«, antworte ich selbstbewusst, da ich letztens mitgekriegt habe, dass der Verein der Hamburger ganz gut dabei ist, und Afyon lacht zufrieden.
Shad M. hingegen wütet gegen mich, weil er Werder-Fan ist. Das verstehe ich zwar nicht, aber was soll´s, mein Herz hängt ja nicht dran. Während die Jungs fachsimpeln, betrachte ich Afyon, der wunderschön ist. Ich liebe seine Wimpern, ich mag seinen Körper; der anthrazitfarbene glänzende Anzug mit gleichfarbiger Krawatte und weißem Hemd stehen ihm total gut, seine Haare haben etwas Hippie-mäßiges – sie sind lang und verstrubbelt. Hätten seine Hosen einen Schlag, sähe Afyon aus wie aus den Seventies. Das mag ich sehr, das hat irgendwie Style.
»Kommst du mit zu Aaron?« Ich habe Danny gar nicht wahrgenommen, er steht neben mir und schaut mich belustigt an. »Oder hast du etwas Besseres vor?« flüstert er mir ins Ohr, ich muss ihn knuffen. Er verabschiedet sich liebevoll. Er versteht, dass ich an diesem Abend nur Augen für einen Anderen habe.
»Was macht du nach der Party?« traue ich mich ihn endlich zu fragen, als wir alleine sind.
»Nach Hause gehen«, sagt der Junge aus meinen Träumen und ich wünsche mir, dass er mich mitnimmt. Doch er nippt weiter an seinem Glas, schaut auf die Tanzfläche, fragt nicht, wie meine Pläne aussehen.
»Hast du morgen schon etwas vor?« Ich versuche es erneut.
»Klar, Fußball spielen! «
»Ok. Und am Sonntag? «
»Sonntags habe ich Ligaspiel.«
Ich bin entsetzt. Ich bin enttäuscht. Ich …
»Komm doch ins Stadion?«
Gerade eben war ich tieftraurig, dachte, er gibt mir einen Korb, dann plötzlich lädt er mich ein, zu seinem Spiel zu kommen. Ich komme gar nicht mehr richtig mit.
»Ich würde mich freuen«, fügt er schelmisch hinzu, und ich merke, wie in Sekunden meine Sinne zurückkehren. Oh mein Gott! Ich bei einem Fußballspiel?
»Gerne!« sage ich, als wäre es selbstverständlich und nehme den letzten Schluck Bier. Ich möchte gerade alles tun, was er mir sagt und frage mich, wie bescheuert man sein kann.
»Und was machst du außer Fußball spielen?« Ich möchte mehr über den Mann meiner Träume wissen.
»Zocken.«
Fußball und PC. Kennt er denn nicht mehr? Der kann doch nicht schwul sein? Nee! Aber sein anthrazitfarbener Anzug heute, so anders als alle anderen hier. Und seine Blicke, verdammt, ich will in seiner Nähe sein.
»Unternimmst du morgen Abend nichts?« frage ich ihn und hoffe, dass
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