Plattenbaugefühle: Jugendroman
Döner.«
»Waaas?« fragt Mohammed, der nicht Mohammed heißt, völlig irritiert.
»Na, es gibt in Berlin so viele Imbisse, Restaurants, Bistros aus aller Welt«, erzähle ich ganz stolz, »und meine Eltern haben mir immer gesagt, ich solle etwas Anständiges essen.«
»Was meinst du mit ›Anständiges‹?« fragt mich Kerem mit aufgerissenen Augen.
»Kein Fast Food, eben!« versuche ich zu erklären, merke wie sie mich fast beleidigt anglotzen, »auch wenn ich mit Freunden unterwegs bin«, füge ich mit sanfter Stimme dazu. »Meine Eltern geben mir lieber mehr Geld mit, um gut zu essen«, antworte ich ganz selbstverständlich in die Runde hinein.
»Krass!« sagt Afyon, der mich mit leuchtenden Augen anblickt und ich fühle mich ertappt, mich in einer verrückten Welt zu befinden. Ich sehe nicht nur anders aus als die Jungs um mich herum, ich bin auch anders.
Shad M. fragt, ob alle noch mitgehen wollen, auf dem Bolzplatz kicken. Afyon ruft begeistert »Ja«. Ich sage, dass ich endlich nach Hause gehen muss und erkläre, dass ich woanders übernachtet habe. Ich finde es natürlich schade, dass ich nicht mit Afyon alleine sein kann. Doch was hätte ich sagen sollen, nachdem er die Frage von Shad M. bejahte?
Mir geht es gut, ich schwebe förmlich. Ich gehe sofort in mein Zimmer. Mit gemischten Gefühlen lege ich mich auf mein Bett. Die Eltern sind unterwegs, das Haus ist leer. Die Stille macht mich bekümmert, ich schließe die Augen, erblicke Afyons Lächeln, mein Körper zittert, ich fühle mich froh und halte eine Minute später die Einsamkeit nicht mehr aus. Der Junge aus meinen Träumen ist Wirklichkeit geworden. In Kranichstein – wer hätte das gedacht – doch warum tut es so weh? Warum ist dieses tiefe Gefühl so undefinierbar? Dann höre ich seine Stimme, die Stimmen der anderen, sie scheinen mich zu akzeptieren - ob er mich auch so gerne mag? Warum immer nur Fußball? Er bewegt sich so schön und freut sich so sehr dabei! Ich baumle auf mein Bett, es ist so ein großes Bett, geschaffen für zwei.
Die Woche über versuche ich, Afyon irgendwie alleine zu treffen. Es ergibt sich keine Gelegenheit, mal ist er im Unterricht, mal ist er mit mehreren Leuten im Gespräch, manchmal sogar spurlos verschwunden. Danny ist jeden Nachmittag bei mir – kochen, Musik hören, chillen. Abends trifft er sich mit Giovanna, jeden Abend. Ich fühle mich dann einsam, rufe Fabi, Omama an, kuschele mit Wuffi. Viel lieber würde ich das mit Afyon machen, ihn treffen, ihn berühren, mit ihm sprechen.
Es ist ein wunderschöner Tag am Meer, ein weißer Strand, türkisblaues Meer, die Sonne strahlt auf unsere Körper und wärmt uns. Wir liegen auf dem Rücken, schauen in den wolkenlosen Himmel. Dann fragt er mich, ob wir schwimmen gehen sollen. Wir laufen über den heißen Sand, nichts kann uns aufhalten; wir sind junge Götter, denen nichts im Wege steht. Das Wasser ist tropisch warm, es trägt uns einfach weiter, immer weiter, wir schwimmen wie Delfine, sind bereits im weiten Meer, sehen nur den Horizont vor uns, hinter uns Massen von Wasser. Plötzlich verdunkelt sich der Himmel, Gewitterwolken ziehen auf, sorgenvoll schaue ich nach oben und frage: »Was jetzt?« Und er antwortet darauf: »Es hat niemand gesagt, dass es einfach ist, ans andere, ferne Ufer zu gelangen.«
Ich wache nassgeschwitzt auf.
Am Freitagmittag entschließe ich mich, zu Aris zu gehen. Er schickt mich in die Küche, gerade möchte ich mich über sein Blinzeln wundern – da bleibt mein Atem stehen. Afyon erhebt sich vom Küchenstuhl und kommt auf mich zu. Ich fühle mich wie eine Marmorstatue. Er schüttelt mir die Hand und schaut mir dabei lange in die Augen. Ich spüre die Wärme seiner Hand, die mich gar nicht mehr loslässt. Bemerke ein Kribbeln in meinem Bauch. Mir ist so, als würden seine langen Wimpern klimpern. Am liebsten möchte ich ihn an mich heranziehen. Was denkt er? Was fühlt er? Was lässt uns beide in dieser Stellung verharren?
»War cool am Sonntag«, seine Stimme ist rau und unbeholfen, »ich hab schon mein fünftes Tor geschossen diese Saison.« Seine Augen strahlen. Er freut sich weniger über seine Tore als vielmehr darüber, dass er mich sieht.
»So, Jungs, es kann losgehen!« Aris kommt in die Küche, mit Sportschuhen und einem Ball in der Hand.
»Ja, Mann«, erwidert Afyon erregt.
»Wovon sprecht ihr?« frage ich irritiert.
»Na, Fußball spielen in der Halle«, sagt Aris, Afyon steht schon wartend an der
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