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Plattenbaugefühle: Jugendroman

Plattenbaugefühle: Jugendroman

Titel: Plattenbaugefühle: Jugendroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jannis Plastargias
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freue, dass ich vorbei komme.
    »Ja, sehr schön, du bist da!« meint auch seine Mutter in ihrem liebenswerten Akzent.
    Ich schaue mich in der Wohnung um. Viel zu kleine Zimmer mit viel zu vielen Menschen darin, Shad M. hat einen Bruder, noch einen Bruder, eine Schwester, noch einen Bruder, noch eine Schwester … sechs Geschwister? Ich werde ins Wohnzimmer geführt, alles ziemlich abgewetzt, viele orientalische Teppiche, Bilder mit Schriftzeichen, wahrscheinlich Koranverse. Kein Möbelstück passt hier zum anderen, am schlimmsten ist diese Eiche-rustikal-Fernsehschrankwand. Die Mutter redet auf mich ein, bietet mir einen starken Tee an, der sehr süß schmeckt; kein Wunder, ohne mich zu fragen, schmeißt die Frau zwei Zuckerstückchen ins Glas. Shad M. redet genauso viel, aus den anderen Zimmern dringen laute Geräusche.
    Endlich alleine mit Shad, Suleyman und Elias, die mittlerweile auch da sind – regelmäßige Gäste, denn sie werden bei ihrer Ankunft von Shads Mutter umarmt. Wir quatschen rum wegen der Party. Es werden mir ganz viele Fragen über mein Leben in Berlin gestellt, wo ich dort gechillt habe und was wir unternommen haben, wenn wir einen draufmachen wollten. Mir kommt das alles ein bisschen vor wie in einem Roman oder Film von Hanif Kureishi, der viel über Inder und Pakistanis in London schreibt. Das ist so anders als mein Berlin, jedenfalls das Berlin, wie ich es erlebt habe. Dann kommt plötzlich Mohammed, der gar nicht Mohammed heißt, ins Zimmer spaziert. Er hat ein großes Gerät dabei – eine Wasserpfeife? – ich habe so etwas einmal im Fernsehen gesehen. Ich schaue Mohammed, der nicht Mohammed heißt, fragend an, der antwortet: »Das ist eine geile Shisha, oder?«
    Shisha also. Sie erzählen ganz stolz vom Brauch des Shisha-Rauchens in ihrer Kultur und erklären mir ganz genau, wie man das macht, was man dazu braucht, wie man sie anzündet und raucht. Ich bin fasziniert davon. Unten ist ein gläsernes Behältnis, da wird Wasser hineingeschüttet. Davon geht ein Rohr nach oben, oben drauf ist eine Schale, in die Fruchttabak gelegt wird, darüber wird Alufolie gezogen, in die Löcher gepiekt werden, darüber Kohle gelegt und angezündet. Dann ein Schlauch mit einer Mundöffnung am Ende, an dem quasi der Rauch aus dem Wasser herausgezogen wird.
    So sitzen wir da und rauchen. Sie machen es mir einfach. Auch Mohammed, der gar nicht Mohammed heißt, ist erneut so freundlich zu mir, dass es mir irgendwie gut geht. Vielleicht liegt es aber auch an der Shisha – das Rauchen entspannt mich, aber ganz anders als eine Zigarette. »Gechillt, oder?« sagen die Jungs die ganze Zeit, und ich finde sie so herzlich und liebenswert und freue mich in Kranichstein zu sein, denn mir kommt es so vor, als gehörte ich jetzt dazu.

    Danny holt mich am Abend ab.
    »Ähm, du siehst nicht gerade ›Stylo-Mylo‹ aus!« kommentiere ich.
    »Bruderherz, leihst du mir bitte etwas aus? Ich habe nichts Schickes im Schrank.«
    »Such dir was aus!«
    »Kannst du das nicht für mich tun?« erwidert er augenzwinkernd.
    »Wieso ich?« frage ich etwas irritiert.
    »Ach, du bist doch schwul, du kannst so was besser!«
    Er duckt sich schon vorsichtshalber, völlig zu Recht, weil ich tatsächlich versuche, ihm einen Schwinger zu versetzen. Dabei verliere ich das Gleichgewicht. Er fängt mich auf und sagt: »Gib mir einfach etwas, was mir stehen könnte und was du selbst nicht anziehen möchtest heute Abend.«
    Ich öffne meinen Schrank, Danny staunt: »Boah, Bruderherz, das sind alles deine Klamotten? Du hast ungefähr ... zehnmal so viele wie ich!«
    Es macht mir Spaß, ihn einzukleiden. Ich beobachte ihn, wie er sich bis auf die Shorts auszieht. Er hat den gleichen Körperbau wie Fabi, leicht muskulös, die gleiche Augen- und auch Haarfarbe, eine ähnliche Frisur, die Lippen erinnern mich an ihn, nur die Nase ist ein bisschen unauffälliger. Und plötzlich bin ich ganz aufgeregt, nervös, möchte ihn am liebsten berühren, ich weiß gar nicht, was das soll, so war es mir bisher noch nie gegangen, aber jetzt, jetzt möchte ich ihn gerne an der Brust berühren, ihn am Bauch anfassen.
    Er ist ein dunkler Typ und mir gefällt es, wie er die schwarze Röhrenjeans mit dem einfachen weißen Hemd und der schwarzen Samtkrawatte trägt. Er sieht zum Verlieben aus, finde ich. Finde ich? Ich schaue ihn mir genauer an. Er sieht gut aus und ich möchte endlich meine ersten Erfahrungen sammeln. Aber doch nicht mit ihm. Oder? Dieses Gefühl, was

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