Plattenbaugefühle: Jugendroman
tanzen Feen, Tiere, Blumen fröhlich und ausgelassen, als wäre genau diese Liebe das Ereignis, auf das sie lange gewartet haben, ihre Erlösung. Wir rollen in den See, doch wir merken es in unserer überschwänglichen Liebe nicht, wir machen im Wasser weiter, so als ob wir es den Fischen und anderen Wasserlebewesen schulden, ihnen ebenfalls unsere Liebe zu zeigen. Wir hören wunderschöne Unterwassermusik. Der Himmel schenkt uns einen Regenbogen, alles ist gut, alles ist schön.
VOR 21 TAGEN UND NÄCHTEN … THEATER
D ie Transformers‹. Das sind Autos, die sich in große Roboter verwandeln und die einen Krieg gegen die Menschheit anzetteln, wobei es Gute und Böse gibt, und die Guten helfen dann letztendlich den Menschen, weil sie einen Freund – Shia LaBeuf, den Afyon ganz toll findet – unter ihnen gefunden haben.
Der Samstagabend soll wieder ein schöner Abend werden, mit Afyon an meiner Seite – trotz des Films, den wir anschauen, den er mitgebracht hat. Ich verstehe die Geschichte, finde sie langweilig, im Gegensatz zu Afyon, der erfreut über die Action-Effekte ist. Mit Danny und Fabi war es einfacher für mich, die haben einen ähnlichen Geschmack. Und mit den beiden kann ich sehr viel besser reden.
»Wann hast du gemerkt, dass du schwul bist?«
»Hast du das gesehn! Wie geil, ey!«
»Afyon!«
»Was denn?« Er fühlt sich gestört.
»Ich rede mit dir!«
»So bin ich nicht!« nuschelt er und drückt die Lautstärke höher.
»Wie, bitte, bezeichnest du das?« frage ich und zeige auf meine Hand, in seiner verschlungen. Er lässt sie los.
Wir sitzen auf dem Boden, mit dem Rücken ans Bett gelehnt und schauen blöde Autos an, die mit metallischen Stimmen sprechen können. Ich ertrage diesen Moment nicht, habe aber Angst mich zu bewegen, seine Nähe zu verlieren.
»Bei uns ist das anders!« sagt er sanft nach einer Weile.
Ich starre ihn an.
»Wir sind Türken!« ruft er laut.
»Und?«
»Wir sind keine Deutschen wie ihr!« Seine Stimme klingt empört, ich schaue ihn verständnislos an.
»Bei uns in der Familie ist es auch nicht einfach, schwul zu sein!« betone ich und versuche, von der Situation meiner Eltern zu erzählen, meiner lockeren Mutter, die alles toleriert, meinem strengen Vater, der ständig kritisiert und alles wie im Bilderbuch haben möchte.
Er schaut den Bildschirm an.
»Und wie ist es in deiner Familie?«
Er dreht sich zu mir. Seine Augen sind wässrig.
»Vergiss es« flüstert er und drückt seine Lippen auf meinen Mund.
Am Sonntag kann er nicht zu mir kommen.
»Auswärtsspiel in Wixhausen«, sagt er am Telefon.
»Ist doch ein Kaff hier in der Nähe!« rufe ich in den Hörer, »ich kann kommen!«
»Nein! Lass das sein.«
»Ist doch ein Katzensprung, kein Problem, ich habe nichts anderes vor«
»Nein! Das wäre zu auffällig!«
Ich verstehe das nicht! Hat er keine Lust, mich wiederzusehen? Am Abend darf er dann nicht mehr raus, »wegen der Schule« sagt er. Wir sind beide gleich alt, und er macht sicherlich keine Hausaufgaben zuhause. Ist das reine Schikane von seinen Eltern?
Ich lese den ganzen Tag Bücher, die ich in der Stadtteilbibliothek ausgeliehen habe. ›Bonsai‹ von Christine Nöstlinger und ›Rollenspiele‹ von Hans Olsson. Alles dreht sich um das Thema Schwulsein, in denen die männlichen Hauptpersonen – Jungen wie ich – sich selbst näher kennenlernen, ihren Weg suchen und finden. Oft drifte ich in Gedanken an Afyon ab. Er sollte diese Bücher auch lesen. Er braucht sie dringender als ich.
»Romeo und Julia in Kranichstein?« Mein Vater ist begeistert von meinem kreativen Vorhaben. Beim Mittagessen erzähle ich von einem Theaterprojekt für Jugendliche, das die Geschichte von Shakespeare ins heutige Kranichstein holt, das den Jugendlichen – neben der Freude am Theaterspielen – die Vorstellungsgespräche für das Berufsleben erleichtern soll.
»Findet das an der EKS statt?« fragt er interessiert.
»Nein, an der Comenius-Schule«, antworte ich, »ihr hättet mich lieber in dieser Schule angemeldet« füge ich geziert dazu.
»Sohn, die Comenius-Schule ist so etwas wie eine Waldorf-Schule!« meint mein Vater ganz ernst, »also, ich fand schon die EKS fragwürdig und hätte dich lieber auf dem Gymnasium gesehen, aber deine Mutter«, sagt er und schaut sie an, »sie wollte dich ja zuerst dorthin schicken, zu den Freaks«, seine Stimme klingt ironisch, »die EKS war unser Kompromiss!«
Mama grinst, und er erzählt von seinen Mitarbeitern im
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