Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
da dringst du nicht durch.«
    Irmi erzählte vom Inhalt der Fernsehdiskussion. »Du bist also auch der Meinung, dass Regina von Braun recht hatte?«
    »Ich kenn die Frau nicht so gut, aber sie hat sicher recht. Es funktioniert nicht, wenn man nur noch ökonomische Maßstäbe anlegt. Der Staat früher war in der Hinsicht viel souveräner. Aber ein wildfreier Wald, damit man noch mehr Geld machen kann, das ist gegen die Natur.«
    »Bernhard, du überraschst mich, ich dachte, Rehe seien dir auch eher … Na ja …«
    »Ich arbeite mit und von der Natur. Glaubst du, ich bin so ein Depp wie die vom Forst? Ich muss auch mit schlechtem Wetter, ungünstigen Jahren, kranken Tieren zurechtkommen. Man kann sich die Natur doch nicht zurechtbiegen. Und eins sag ich dir: Da kommt noch was auf uns zu. Die setzen auch noch eine Benutzungsgebühr für Waldwege durch. So was ist längst im Gespräch. Wenn wir dann in unseren Wald fahren, müssen wir Maut für die Durchfahrt zahlen. Wart nur ab!«
    Inwieweit das richtig und realistisch war, vermochte Irmi nicht zu beurteilen. Sie wusste nur, dass es so etwas in anderen Bundesländern bereits gab. Längst hatte sie Bernhard den Hof und alles drumherum überlassen. Sie musste sich nicht um die Fragen der Wirtschaftlichkeit ihres Hofes kümmern. Ein bisschen war sie wie eine Touristin, die ab und zu in der Früh im Stall mithalf oder beim Melken am Abend. Die ab und zu die Motorsäge schwang. Sie liebte das, es war ihr Ausgleich. Ihre Bodenhaftung. Ihre Normalität. Aber sie war immer auch ein Stückchen weiter weg als Bernhard.
    »Die meisten haben doch keine Ahnung mehr von der Natur. Ihr Weltbild kommt aus dem Fernsehen«, meinte Bernhard. »Der Förster ist ein guter Hardy Krüger jr. aus einem Forsthaus Falkenau. Das neuerdings übrigens am Ammersee liegt und mit Bildern um sich wirft, die von überallher kommen, bloß nicht vom Ammersee.«
    »Bruderherz, du schaust Forsthaus Falkenau?«, meinte Irmi und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Darum geht’s nicht. Es geht darum, dass die vom Forst und auch die Jäger tun, was sie wollen. Weil der Rest der Welt nix von der Natur weiß. Weil sich keiner auflehnt. So ein Fernsehförster erzwingt den Abschuss von Rehen, ein echter Förster zeichnet vor allem Bäume an.«
    »Du willst sagen, dass das viel zu komplex für die Fernsehwelt ist und es in der Realität ungleich komplizierter wird, weil es durchaus Jäger mit einem Faible für Tiere gibt, aber auch solche mit dem Faible für Waffen, Trophäen, Angabe und Pomp. Und um uns noch weiter zu verwirren, sind die bösen Trophäengierigen beileibe nicht immer die protzigen Münchner oder Augsburger Pächter. Dein Hintern wurde von einem Werdenfelser beschossen!«
    »Nenn es, wie du willst, Schwester, aber diesmal hast du wirklich einen Scheißjob«, sagte Bernhard und stand auf. »Gute Nacht.« Er zögerte. »Pass auf dich auf.«
    »Werd ich.« Sie sah ihm noch eine Weile nach, dann räumte sie die Flaschen weg.
    Als sie zu Bett ging, waren die beiden Kater schon da. Warum sich der Kleine auf den Rücken legte und für den Wettbewerb ›Deutschlands längster Kater‹ zu trainieren schien, war ihr unklar. Sie lachte und zog eine ausgeleierte Männerboxershorts an und dazu ein T-Shirt. Beides stammte von ihm . Sie war über fünfzig und trug Sachen ihres Fernlovers. War das Kinderei oder bereits altersbedingt verzeihlich? Er hatte schon seit fünf Tagen nicht angerufen, sollte sie sich vielleicht bei ihm melden? Nein, lieber nicht, womöglich lag er bei seiner Frau im Bett. Dabei wusste Irmi sehr wohl, dass er ein eigenes Schlafzimmer hatte.
    Eigentlich war sie weniger allein als er: Sie hatte den längsten Kater der westlichen Hemisphäre im Bett und außerdem noch einen Katzenkollegen, der massiv ihr Kopfkissen belagerte und mit einem kurzen Zischen vermeldete, dass er auch nicht vorhatte, selbiges zu verlassen. Irmi stopfte sich ein Handtuch unter den Kopf, faltete sich entlang dem Rekordkater und schlief schnell ein.

3
    Mai 1936
    Ein entfernter Verwandter vom Herrn ist da, der junge Herr von Bodinghausen. Er ist Student der Rechtswissenschaften, und er spricht mich mit Fräulein an. So ein Kokolores. Der Herr sagt, er sei ein Revoluzzer. Er redet allerweil seltsame Dinge, er macht mich ganz drimslig mit seinen Reden. Dem Jakob hat er erzählt, dass schon in den 1890er-Jahren ein »Verein zum Wohle der auswandernden Schwabenkinder« ein kommodes Passieren der Alpenpässe

Weitere Kostenlose Bücher