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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Dann mit zwei Ski, aber ohne Stöcke: Rücklage und weg. Sie hatte gekeucht wie ein Stier, während der Trainer gleiten und reden konnte und wahrscheinlich längst auf Kiemenatmung umgestellt hatte. Er hatte sich auch nicht viel besser angestellt, und ihnen beiden war das 3,5-Kilo-Gewehr immer schwerer vorgekommen. Doch dann war Irmis große Stunde gekommen: platt auf einer Gummimatte liegend schießen. Die Profis schossen ja liegend auf 4,5-Zentimeter-Scheiben und stehend auf 11,5-Zentimeter-Scheiben, die Anfänger im Kurs durften liegend auf die großen Scheiben zielen. Und Irmi traf, was natürlich etwas unfair war, denn als Polizistin musste sie – wenn auch ungern – ins Schießtraining. Auch er hatte geschossen. »Plöng«, machte es, als er abgedrückt hatte. »Na ja«, hatte der Trainer damals gesagt, »du solltest aber besser auf deine eigenen Scheiben schießen. Wir sind auf Bahn fünf, das war die sechs.« Später attestierte er ihm , dass er eine Gams aus der Felswand geschossen habe. Sie hatten viel gelacht, und ihrer beider Respekt vor Biathleten war ins Unermessliche gestiegen.
    Auch vor dem Soferl hatte Irmi großen Respekt. Gerade flog sie auf Ski heran, fummelte das Gewehr vom Rücken und sank auf die Matte. Schoss – und wie! Irmis vorsichtiger Seitenblick auf Kathi offenbarte ihr, wie stolz diese auf ihre Tochter war. Auch wenn sie es nicht zeigen würde – das Soferl würde es dennoch wissen.
    Elli Reindl, Kathis Mutter, kam herüber und begrüßte Irmi herzlich. Irmi mochte Kathis Mutter sehr. Sie war eine feine und kluge Frau und leise – ganz im Gegensatz zu Kathi.
    »Grüß Sie, Frau Reindl! Toll, wie sie das macht!«
    »Hallo, Frau Mangold. Ja, finde ich auch. Auch, dass sie dabei bleibt. Beim Reiten war das ein Strohfeuer, genau wie beim Schwimmen, und das Akkordeon verstaubt auf dem Schrank. Sie scheint hier wirklich etwas gefunden zu haben, was ihr Freude macht.«
    Sie sahen den jungen Mädchen zu, ließen sich eine verblüffend warme Sonne ins Gesicht scheinen, die ab und an hinter den Wolken hervorkam. Schließlich war das Soferl fertig und genoss den großen Bahnhof zu ihrem Empfang sichtlich. Das Mädchen redete und zwitscherte anschließend die ganze Heimfahrt, und Irmi empfand es als angenehm, einfach mal zuzuhören und zu schmunzeln. Der Fall war wirklich weiter von ihr weggerückt. Da das Soferl einen Teil ihrer Ausrüstung in Bichlbach vergessen hatte, machten sie einen kurzen Abstecher dorthin. Kathi maulte über die Unordentlichkeit ihrer Tochter, Kathis Mutter zog eine Grimasse.
    Es versetzte Irmi einen Stich, als sie die drei Generationen der Reindls betrachtete – mit allen Problemen, aber auch allem Schönen, was eine Familie mit sich brachte. Sie selbst hatte ebenso wenig Nachkommen wie ihr Bruder. Nach ihnen war Schluss mit den Mangolds aus Schwaigen. Außer wenn Bernhard noch ein Kind zeugte. Doch er war ein Junggeselle par excellence, und dass ausgerechnet Bernhard irgendwo auf einem Fest eine Frau schwängern würde, irgendwo hinter dem Zelt, irgendwo in den Büschen, wie das ja so gerne praktiziert wurde in der bier- und schnapsseligen Enthemmtheit, konnte sich Irmi nicht vorstellen. Nicht weil Bernhard unattraktiv war, und sicher hatte auch er Bedürfnisse, aber das wäre ihm einfach zu unbequem gewesen. Und er hätte seine Stammtischbrüder auch nicht einfach so sitzen lassen. Er hatte sich gut und komfortabel eingerichtet in seiner Männerwelt.
    Während das Soferl seine Tasche suchte, setzte sich Irmi mal kurz ab. Auf der Suche nach einem WC landete sie in einer Umkleide, die in einen Putzraum überging. Die Türen standen offen. In der Ecke stand ein schwerer Stahlschrank. Wahrscheinlich war es eine Berufskrankheit, dass ihr Blick so röntgenhaft war. Oder war sie einfach neugierig? Blitzte da nicht etwas heraus? Sie trat näher, und siehe: Da standen fein aufgereiht ein paar Trainingswaffen, die Munition lag auch da. Na, wunderbar, dachte sie. Wenn man den Schrank nicht absperrt, nutzt er natürlich auch nichts. Ein Amokläufer hätte hier seine helle Freude. Gab es in Bichlbach Amokläufer?
    Eigentlich hätte sie den Trainer verwarnen müssen, aber sie befanden sich in Österreich, und außerdem war sie irgendwie nicht in der Stimmung für erhobene Zeigefinger. Irmi ließ den Blick weiter durch die Räume gleiten und schloss kurz die Augen. Bilder kamen von irgendwoher: Arthur, der Karwendelschrat, von Brennerstein, Regina, das tote Schneewittchen, der

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