Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
Stiftung gemacht, und so hatte Helmi zumindest in dieser Sache die hochoffizielle Aufgabe, einen Blumentopf und Whiskey zu übergeben. Zufällig waren dann halt zwei deutsche Kolleginnen dabei … Irmi hatte den ganzen Plan für völlig absurd erklärt, aber auf die Schnelle fiel ihr auch nichts Besseres ein. Man würde sehen.
Was sie sahen, war erst einmal eine Bergfahrt jenseits des Inns, hinauf Richtung Hungerburg, und so wie Helmi Kathi anstrahlte, schien er immer noch interessiert zu sein. Aber für Kathi war er sicher viel zu normal. Dabei sah er gut aus, war charmant, sicher kein hirnloser Depp. Er hatte außer Skifahren keine abstrusen Hobbys und trank wegen einer Alkoholallergie fast nichts. Er spielte keine Ballerspiele, baute keine Flugzeugmodelle oder Fantasykrieger. Er hatte sich einen alten Bauernhof renoviert und bewohnte eine Hälfte davon. Er war definitiv nicht schwul, für einen Enddreißiger eigentlich makellos. Dass er anscheinend selten Freundinnen hatte, lag wohl am Job und vielleicht daran, dass er immer noch auf Kathi stand. Armer Kerl, dachte Irmi.
Der Herr Professor residierte am Hang mit Blick über die Alpenstadt. Seine pompöse weiße Villa mit Erkern und viel Schmiedeeisen war das, was Immobilienmakler als ›The Art of Living‹ bezeichnet hätten. Irmi fand es auf den ersten Blick scheußlich. Die Zufahrt war gekiest, mit Sicherheit harkte hier jemand täglich. Die Tür wurde von einem Hausmädchen mit slawischem Zungenschlag geöffnet. In der Eingangshalle drohte man zu erblinden. Alles war weiß, so was von weiß! Marmor am Boden, helle Marmorsäulen, Lüster in transparentem Kristall, gleißendes Licht, ja, man konnte hier nur schneeblind werden. Sie wurden nach links in einen Salon geführt, der auch in Weiß gehalten war. Weiße Lederfauteuils, dazu Tische in Stahl. Das war sicher sündhaft teures Industrial Design und wirkte unglaublich kalt.
Der Herr Professor kam wie bei einem Bühnenauftritt aus der Bücherwand, dieser Effekt war schon beeindruckend. Eine Wand, die sich wie in Bond-Filmen einfach öffnete. Herr Professor Wallner war ein großer, schwerer Mann mit grauweißem Haar, das definitiv zu lang war für einen Mann seiner Altersklasse. Es hatte sich vorn zwar gelichtet, aber den Rest trug er nach hinten gekämmt wie eine Löwenmähne. Er war unverschämt braun für die Jahreszeit und grün gewandet. Es war offensichtlich, dass er sich bereits zum Jagen angezogen hatte, allein die Lodenpantoletten mit Hirschemblem würden wohl noch gegen einen passenderen Stiefel ausgetauscht werden.
Wallner war anzusehen, dass dieser Besuch zeitlich gar nicht passte, er gab sich dennoch jovial, hieb Helmi mehrfach vertrauensbildend die Hand auf die Schulter. Die Anwesenheit von Irmi und Kathi hatte er mit einem »Grüß Sie Gott« wahrgenommen, ansonsten waren sie einfach Fußvolk. Der Herr Professor war Ovationen gewohnt, solche Pflichttermine erledigte er sicher häufiger. Wer wollte sich denn da alles Fußvolk merken? Er bot ihnen auch keinerlei Getränk an, klar, besonders opulent war ja der Blumentopf nicht und der Bowmore sicher kein Schmankerl vom Format des Herrn Professor.
Irmi ließ den Blick schweifen. Unter dem gedrehten Gehörn einer Antilope hing ein Bild einer Männergruppe mit Tafelberg im Hintergrund.
»Ach, der Herr von Brennerstein in Südafrika«, bemerkte Irmi.
»Wie belieben?«
»Sie waren mit Marc von Brennerstein in Südafrika?«
»Ein leidenschaftlicher Jagdkollege, der gute Marc. Kennen Sie ihn?« Irmi schien in seinem Interesse zu steigen.
»Ja, aber leider hatte ich nicht das Vergnügen, seine Partnerin Regina von Braun kennenzulernen. Die wurde nämlich ermordet, vielleicht weil sie mit ebenso großer Leidenschaft ihre Buchprojekte verfolgt hatte.« In dem Moment fand sich Irmi selber richtig gut. Diese Ungerührtheit, mit der sie das vortrug!
Der Herr Professor war natürlich kein Depp, aber er war auch einer von der Sorte, die Hindernisse elegant übersprangen oder mit entsprechenden Beziehungen wegräumen ließen. Er nahm Irmi einfach nicht ernst.
»Ach, daher weht der Wind, meine lieben Damen. Marc hat mir von diesem lächerlichen Buch erzählt, in dem ich keine Rolle spiele. Schade eigentlich.« Er lachte polternd.
»Nun, ich meine auch nicht das Jägerbuch – nein, ich meine das Buch über Ihren Bruder. Das kommt so ganz und gar unpassend zum Sträßchen in Reutte, nicht wahr, Herr Professor Wallner?«
»Meine lieben Damen, sollten Sie
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