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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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mich befragen wollen, dann halten Sie doch bitte den Dienstweg ein, ja? Und Sie, Stöckl, das wird ein Nachspiel haben, dass Sie …« Er sprach nicht zu Ende, aber sein Blick sprach Bände.
    Das war nicht anders zu erwarten gewesen. Wallner klingelte das Hausmädchen herbei, und sie wurden hinauskomplimentiert.
    »Ich hoffe, du kriegst keinen Ärger«, sagte Irmi, als sie wieder im Kies standen.
    Helmi lachte. »Naa, der Chef hat aa Humor. I kann doch nix dafür, was ihr so dumm daherreds. Des passt scho. Mir werden dann eh zammarbeiten müssen, oder.«
    Ach, er konnte das »oder« auch so schön betonen! Er würde so gut zu Kathi passen, dachte Irmi.
    »Ja, ich möchte in jedem Fall eine offizielle Befragung. Ich will wissen, ob er ein Alibi für die Mordnacht hat.« Irmi erzählte dann noch von den Peilsendern. Kathi schaute verblüfft, aber Helmi kannte so was. »Jo sicher. So was gibt’s. Mir in Österreich kennen das schon lange. Ich mein, das Verbrechen wandert westwärts. Und mir hatten ja immer schon, ich mein historisch bedingt, den Balkan vor der Türe.«
    Irmi lachte. »Und nun?«
    »Wenn ihr grad da seids. Geh mer was essen?«
    »Gute Idee!«
    »Schick oder traditionell?«
    Sie sahen sich alle drei an und sagten unisono: »Traditionell.«
    »Geh mer!«, meinte Helmi, und sie fuhren ins Gasthaus Koreth und aßen Graukas, Schlutzer und Gröstl – herrlich ungesund und herrlich lecker!
    Irmi setzte Kathi am Büro ab. Als sie gegen vier Uhr daheim war, bot sich ihr das gewohnte Bild. Bernhard war im Stall, und die Kater glänzten durch Abwesenheit. Irmi gönnte sich ausnahmsweise etwas, was ihr hinterher peinlich war: Sie legte sich hin und verschlief zwei Stunden.
    Sozusagen als Buße deckte sie für Bernhard den Tisch mit einer Brotzeit, wobei der vernachlässigte Kühlschrank leider nicht mehr viel hergab. Irmi beschloss für Montag den ungeliebten Großeinkauf, plauderte mit dem Bruder über dies und das und winkte ihm nach, als er zum Wirt aufbrach. Zum Glück hatte Bernhard die Heizung wieder zum Laufen gebracht.
    Heute empfand sie die abendliche Stille als sehr wohltuend. Konnte sie schon wieder ins Bett gehen? Klar, warum nicht? Sie nahm das Tagebuch mit und begann noch einmal ganz von vorn zu lesen.

11
    Juni 1937
    Ein Wunder ist es, einfach ein Wunder. Vor drei Monaten wurde mir das Kindelein geboren. Angelika hat geweint, alle die Dichter und Maler brachten Geschenke, ich war so beschämt. Aber das schönste Geschenk war, dass eines Tages im April der Jakob plötzlich in der Küche stand. Vor lauter Freude kippte ich alle Kartoffeln aus, die daraufhin über den Boden sprangen und Jakob hinterher.
    Angelika hatte ihn holen lassen, sie hatte ihm bei einem Freunde eine Anstellung in einer Werkstatt verschafft, die Flugzeuge instand setzt. Man stelle sich vor, es gibt Vögel aus Stahl, die Menschen tragen, auch vor den Toren Innsbrucks ist so ein Flugplatz. Jakob war so geschickt und anstellig, dass sie ihn lehren wollen, so ein Teufelswerk zu fliegen. Jakob paukt nun jeden Abend. Ich hätte dem Jakob so etwas gar nicht zugetraut. Und jetzt wird er nicht bloß Zugführer, sondern auch noch Flugzeugführer. Für mich ist das immer noch Hexenwerk. Angelika lachte mich aus, als ich ihr erzählte, wie ich seinerzeit gedacht habe, Jakob würde wie alle Lechtaler immer im Lechtal bleiben mit seinen paar Stück Vieh. Weil das für unsereins einfach vorgezeichnet ist. »Jeder Mensch hat Flügel, er muss sie nur nutzen. Und der Jakob ist einer, der Schwingen wie ein Adler besitzt. Der Jakob wird aber nicht wie Ikarus verbrennen, dazu halten ihn seine Lechtaler Wurzeln fest.« Das hat Angelika gesagt.
    Sie schreibt wieder an einem Buch, sie demonstriert gegen diesen Herrn Hitler. Sie ist so mutig. Der Jakob hat auch Kunde von daheim mitgebracht. Die Johanna hat einen Mann in Reutte gefunden. Einen Kaufmann mit einem gut gehenden Geschäft. Der war zwar zehn Jahre älter, aber rührend besorgt um die Johanna, und so hatte ich nun eine Adresse und konnte mit meinem Gschwisterikind in Kontakt treten. Die Mutter war beim Bader gewesen, sie hatte vom Doktor auch ein Pulver für ihr Herz erhalten. Der Jakob meinte, es ginge ihr gut, aber meine Frage, ob sie sich nach mir oder dem Kind erkundigt hatte, verneinte der Jakob.
    Irmi war aufgewühlt, wie das junge Mädchen diesen steten Missbrauch beschrieben hatte. Was war das für eine Welt damals gewesen? Sie hatte so oft mit den niedersten Instinkten der Menschen zu

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