Ploetzlich blond
ich diesem armen Mädchen, das ganz offensichtlich seit der achten Klasse – wenn nicht noch länger – nicht mehr zur Schule ging, mal eben schnell die Gesetze der Quantenphysik erklären – von denen der Biologie ganz zu schweigen? »So was wie Seelenübertragung … das ist technisch einfach unmöglich, okay?«
»Aber welche andere Erklärung gibt es denn dann?«, fragte Lulu mich mit weit aufgerissenen braunen Augen. »Als dieses Mädchen von dem Flachbildfernseher getroffen wurde und du – ich meine Nikki – ohnmächtig wurdest, da wurden eure Seelen vertauscht. Und jetzt müssen wir nur noch diese Emerson Watts finden, in der Nikkis Seele steckt, und dann könnt ihr eure Seelen zurücktauschen und seid beide wieder normal.«
Brandon runzelte die Stirn. »Die Sache hat nur einen Haken, Lulu …«
»Nein, sie hat keinen Haken«, entgegnete Lulu trotzig. »Es ist doch ganz einfach. Das Ganze ist ja wohl passiert, als ihr beide zur gleichen Zeit ohnmächtig wurdet, oder? Also müssen wir nichts weiter tun, als euch beiden einen Schlag auf den Kopf geben, damit ihr wieder das Bewusstsein verliert, und dann werden eure Seelen automatisch zurückgetauscht. Natürlich dürfen wir euch nicht zu fest schlagen, damit keine bleibenden Schäden zurückbleiben, und du darfst auch keine Beulen oder blauen Flecken bekommen, weil du ja bald auf den Frühjahrsschauen in Mailand laufen musst …«
»Trotzdem geht es nicht«, sagte Brandon, bevor ich etwas einwenden konnte.
»Wieso soll das nicht gehen?«, fauchte Lulu. »Natürlich geht es. Warum siehst du eigentlich immer alles so negativ, Brandon? Hat das was damit zu tun, dass du zu viel Zeit mit Mischa verbracht hast, die noch immer sauer ist, weil der Pilot film von ihrer neuen Serie so schlechte Quoten hatte? Hat ihre schlechte Laune auf dich abgefärbt?«
»Nein«, sagte Brandon. »Ich sehe gar nicht immer alles negativ. Aber das mit der Seelenübertragung wird trotzdem nicht klappen.«
»Ach, und wieso nicht?«, blaffte Lulu. Dadurch dass sie so klein und zart und hübsch war, fiel es mir schwer, sie ernst zu nehmen. Sie war ungefähr so furchteinflößend wie ein knurrender Chihuahua. »Falls du meinst, dass wir für die Seelenrückübertragung einen Schamanen oder so was in der Art brauchen, ist das kein Problem. Ich kann Yoshi fragen, das ist mein Yogalehrer, und der ist total spirituell.«
»Darum geht es nicht.« Brandon rutschte unbehaglich auf dem Sofa hin und her. »Die Sache ist die … Als ich in den Unterlagen meines Vaters gewühlt hab, um irgendwas über Nikki zu finden, hab ich einen Bericht der Geschäftsleitung des Stark Megastores gelesen. Darin ging es um diese Emerson Watts.«
Ich beugte mich gespannt vor – was gar nicht so einfach war, weil das Sofa so weich war, dass ich darin versank. »Ach, echt? Und was stand drin?«
»Tja, also …« Brandon zögerte. »Da stand drin, dass Emerson Watts, als der Fernseher auf sie fiel … dass sie … ich meine, dass du … dabei gestorben bist …«
»Nein!« Ich schüttelte entsetzt den Kopf. »Das … kann gar nicht sein.«
Brandon sah aus, als hätte er Mitleid mit mir. »Das war jedenfalls das, was in dem Bericht stand. Für Dad war die Sache natürlich ziemlich unangenehm. Obwohl er nichts damit zu tun hatte, weil ja diese Elfen dran schuld waren …«
»Das sind Umweltschützer und ihre Organisation heißt E.L.F.«, korrigierte ich ihn.
»Meinetwegen«, sagte Brandon. »Jedenfalls ist er irgend wie trotzdem mitverantwortlich … mein Dad, meine ich. Er hätte mehr Wachpersonal einstellen sollen.«
»Vor allem hätte er die Bildschirme besser an der Decke befestigen können«, wandte Lulu ernst ein.
»Na ja«, sagte Brandon unbehaglich. »Die waren schon sicher angebracht. Wer hätte denn damit rechnen können, dass Leute mit Paintballgewehren …«
»Das kann nicht sein«, schnitt ich ihm das Wort ab.
Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, aber so war es. Die Leute von E.L.F haben …«
»Nicht das mit dem Flachbildfernseher«, sagte ich und stand vom Sofa auf, Cosy fest an meine Brust gedrückt. »Das mit mir, meine ich. Dass ich angeblich tot sein soll. Ich kann nicht tot sein.«
»Es ist aber so«, meinte Brandon. »Emerson Watts ist tot. Es stand in der Zeitung und kam überall in den Nachrichten. Ich habe sogar die Todesanzeige gesehen. Sie lag bei den Unterlagen dabei.«
Ich fühlte mich, als wäre irgendwas über mich drübergerollt. Nichts allzu Großes … bloß
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