Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
doch während ich nun meiner alten Liebe dabei zusah, wie sie durch den Nebel glitt und uns aus dem Tal herausführte, konnte ich nur daran denken, wie ähnlich Ariella Meghan war – und wie sehr sie sich gleichzeitig von ihr unterschied.
Entschlossen schob ich diese Gedanken beiseite und konzentrierte mich ganz auf die anstehende Aufgabe. Ich durfte mich nicht von meinem Ziel ablenken lassen. Ich durfte nicht anfangen, die beiden miteinander zu vergleichen – die Liebe aus meiner Vergangenheit und das Mädchen, für das ich einfach alles tun würde –, denn das würde mich über kurz oder lang in den Wahnsinn treiben.
Sobald wir die Grenzen des Tals überschritten hatten, schloss sich der Wolf uns wieder an, indem er lautlos aus der Dunkelheit auftauchte. Er beschnüffelte Ariella neugierig und zog kurz die Schnauze kraus, doch sie musterte ihn nur gelassen, als hätte sie ihn bereits erwartet. Niemand machte sich die Mühe, die beiden einander vorzustellen, und sie schienen sich vorbehaltlos zu akzeptieren.
Wir setzten unseren Weg durch einen Wald voll dorniger Bäume fort, in deren stacheligen Zweigen kleine Knochenstücke, Fellreste und Federn steckten. Aber nicht nur die Bäume waren mit Dornen besetzt, auch die Blumen, Büsche und sogar die Steine waren spitz und stachelig, sodass wir gut aufpassen mussten, wo wir hintraten. Offenbar hatten einige Bäume etwas gegen unsere Anwesenheit einzuwenden, oder vielleicht waren sie auch einfach voller Blutdurst, denn immer wieder schlugen uns funkelnde Zweige entgegen. Ich musste mit einer gewissen Gereiztheit feststellen, dass sie den Wolf komplett in Ruhe ließen und ihm sogar Platz machten, nur um dann zum Schlag auf mich auszuholen, wenn ich hinter ihm ging. Nachdem ich einigen dieser Attacken ausgewichen war, hatte ich die Spielchen satt und zog mein Schwert. Dem nächsten dornigen Ast, der nach meinem Gesicht schlug, verpasste ich einen Hieb, und von da an ließen uns die Bäume endlich in Ruhe. Zumindest die meisten von ihnen.
»Wie ist sie so?«, fragte Ariella mich völlig überraschend. Bis jetzt war sie sehr still gewesen und wortlos vorausgegangen, aber dann zwangen sie die dichten Dornenranken dazu, mir und meiner Waffe die Führung zu überlassen. Sie trug zwar einen Langbogen aus glänzendem, weißem Holz auf dem Rücken, doch ihre einzige Stichwaffe war ein kleiner Dolch.
Vollkommen überrumpelt blinzelte ich sie an. Verwirrt, aber wachsam antwortete ich schließlich: »Ich dachte, das wüsstest du bereits.«
»Ich habe das Mädchen gesehen, ja«, erwiderte Ariella, während sie sich unter einer Ranke voller nadelfeiner Dornen hindurchduckte. »Aber immer nur in kurzen Ausschnitten. Mehr haben mir die Visionen nie verraten.«
Hinter uns ließ ein fröhlicher Schrei von Puck erkennen, dass er mal wieder erfolgreich einem Angriff entgangen war, aber dem Rascheln der Blätter zufolge schlugen die Bäume weiterhin nach ihm. Offenbar hatte er Spaß daran, den Zorn des Waldes zusätzlich anzuheizen, aber wenigstens war er so abgelenkt. Grimalkin hatte schon vor einiger Zeit verkündet, dass er uns am anderen Ende des Waldes erwarten würde, und war dann in dem dornenbewehrten Unterholz verschwunden. Der Wolf trottete in einiger Entfernung vor uns her, sodass Ariella und ich quasi allein waren.
Da ihr durchdringender Blick mich nervös machte, wand te ich mich ab und hackte auf einen verdächtig wirkenden Ast ein, bevor er mich attackieren konnte. »Sie … sie ist dir ziemlich ähnlich«, gab ich schließlich zu, als der Ast wütend raschelte. »Ruhig, naiv, manchmal ein wenig leichtfertig. Stur wie ein …« Verlegen hielt ich inne, als ich Ariellas Blick im Nacken spürte. »Warum fragst du?«
Sie lachte leise. »Ich wollte nur sehen, ob ich eine Antwort bekomme. Weißt du noch, wie schwierig es früher war, dir eine konkrete Antwort zu entlocken? Es war wie Zähneziehen.« Grunzend widmete ich mich wieder dem Pfad und sie trat dicht hinter mich. »Aber hör nicht auf, Ash. Erzähl mir mehr von diesem Menschenmädchen.«
»Ari.« Plötzlich stiegen Erinnerungen in mir auf, wunderschön und schmerzlich zugleich. Wie ich mit Meghan getanzt hatte. Meine Versuche, ihr das Kämpfen beizubringen. Wie ich gezwungen wurde, sie zu verlassen, als sie sterbend unter der großen, eisernen Eiche lag.
Eine Wurzel machte sich meine Unaufmerksamkeit zunutze und wollte mich zu Fall bringen, doch ich sprang beiseite und holte uns beide aus der Gefahrenzone.
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