Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
empfinden. Dieser Teil meines Lebens war vorbei. Vielleicht bereute ich das, vielleicht wünschte ich mir, es wäre nicht so, aber ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Das wusste ich schon sehr, sehr lange.
Ich lenkte das Floß an einer sandigen Stelle ans Ufer, das hier von alten, moosbedeckten Bäumen gesäumt wurde. Ariella wachte auf und sah sich verschlafen um.
»Wo …«
»Entspann dich, Ari. Wir machen nur eine kleine Pause.« Puck stieg vom Boot und streckte sich mit erhobenen Armen. »Schon komisch, auf Reisen dieser Art muss man sich immer mit Flößen oder schäbigen kleinen Booten herumschlagen. Warum können wir nicht mit einer Jacht ans Ende der Welt fahren?«
Der Wolf sprang ans Ufer und präsentierte in einem ausgiebigen Gähnen seine Fänge. Dann schüttelte er sich das Wasser aus dem Fell, musterte die mächtigen Bäume und grinste hechelnd. »Ich gehe jagen«, verkündete er schlicht. »Wird nicht lange dauern.« Mit Blick auf mich zog er spöttisch die Lefzen hoch. »Ich würde dir raten, nicht zu weit in den Wald hineinzugehen, kleiner Prinz. Wir befinden uns jetzt tief in der Großen Wildnis, und ich würde ungern bei meiner Rückkehr feststellen, dass ihr alle gefressen wurdet. Na ja, bis auf den Kater vielleicht. Der kann sich meinetwegen jederzeit fressen lassen.« Damit drehte er sich um und sprang davon; seine schwarze Silhouette verschmolz mit den Schatten.
Nur Sekunden später entdeckten wir, dass Grimalkin ebenfalls verschwunden war. Wahrscheinlich war er in den Wald geschlichen, sobald das Floß das Ufer berührt hatte, natürlich ohne eine Erklärung oder einen Hinweis darauf, wann er zurückkommen würde. Damit waren wir nur noch zu dritt.
»Wir könnten sie doch einfach hier zurücklassen«, schlug Puck vor und grinste breit, um zu zeigen, dass er es nicht ganz ernst meinte. »Was denn? Den Blick kannst du dir sparen, Ari. Wolfsmännchen ist wahrscheinlich irgendwo hier zuhause, und den Fellball könnten wir doch sowieso nicht loswerden, selbst wenn wir es wollten. Wenn wir fast am Ende der Welt wären, würden wir vermutlich feststellen, dass er die ganze Zeit am anderen Ende des Floßes geschlafen hat.«
Ariella musterte ihn weiter missbilligend, woraufhin Puck ergeben die Hände hob. »Na schön. Dann sitzen wir eben so lange hier fest, bis die pelzigen Herrschaften sich bequemen, wieder aufzutauchen.« Seufzend blickte er zwischen uns hin und her. »Okay, also: Lagerplatz, Essen, Feuer. Bin schon dabei.«
Wenig später flackerte ein fröhliches Feuer am Ufer und versuchte tapfer, die Dunkelheit zu vertreiben. Ohne Erfolg. Die Schatten am Fluss der Träume schienen so undurchdringlich, als würde die Nacht höchstpersönlich an den tanzenden Flammen Anstoß nehmen, sich um den Lichtkreis drängen und versuchen, ihn zu verschlucken. Licht war hier genauso ein Eindringling wie wir.
Ariella hockte im Schneidersitz im Sand und stocherte mit einem Stock in der Glut herum, während Puck und ich uns der Nahrungssuche widmeten. Irgendwie war es Puck mithilfe des Scheins gelungen, aus einem Stock und einem Stück Faden eine Angel zu basteln, aber der Versuch, im Fluss der Träume zu fischen, stellte sich als ziemlich seltsam und höchst frustrierend heraus. Anfangs schaffte er es, ein paar Fische aus dem Wasser zu ziehen, aber es waren merkwürdige, fast widernatürliche Kreaturen: lang und dunkel wie Aale, mit riesigen Zähnen – die sie rücksichtslos einsetzten, wenn wir nach ihnen griffen. Sie waren sogar in der Lage, die Stöcke durchzubeißen, auf die wir sie aufspießen wollten. Schließlich entschieden wir, dass unsere Finger zu kostbar waren, um sie deswegen zu verlieren, und so ließen wir die Biester ins Wasser zurückgleiten. Abgesehen davon fing Puck einen gelben Stiefel, eine Riesenschildkröte, die eine Taschenuhr von uns haben wollte, und etwas, das wie ein ganz normaler Seewolf aussah. Doch dann quollen dem Fisch plötzlich riesige Tränen aus den Augen und er flehte uns inbrünstig an, ihn zu seiner Familie zurückkehren zu lassen. Ich hätte das Geheul vielleicht ignoriert und ihn trotzdem über das Feuer gehängt, aber der weichherzige Goodfellow ließ ihn ziehen.
»Dir ist schon klar, dass du gerade von einem Fisch übertölpelt wurdest, oder?«, fragte ich ihn, als der Seewolf höhnisch grinsend in den dunklen Tiefen verschwand. Puck zuckte nur mit den Schultern.
»Hey, er wollte immerhin einen seiner Enkelfische nach mir benennen«, protestierte er,
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