Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Dunkelheit verlieren und du der Winterkönig wirst.«
»Dann war das also nicht nur irgendein Albtraum«, meldete sich Puck zu Wort. Als ich mich umdrehte, stand er direkt hinter mir, hatte die Hände in die Taschen geschoben und musterte mich ernst. »Tut mir leid, aber das war nicht zu überhören, Leute«, fuhr er fort, klang aber kein bisschen entschuldigend. »In meiner Version allerdings war ich es, der stirbt. Irgend so ein widerlicher Winterkönig hat mich im Kampf abgestochen. Ziemlich traumatisch, wenn ihr wisst, was ich meine. Und das alles, nachdem er fast das gesamte Sommerreich zerstört hatte.«
Ich hielt seinem Blick stand. Puck rührte sich ebenfalls nicht, starrte mich unverwandt an und grinste schief. Doch hinter diesem Lächeln, hinter der Flapsigkeit, der Dreistigkeit und diesem bombastischen Ego spürte ich sein Zögern, die Furcht, die er vor der Welt verbarg.
»Bereust du es?«, fragte ich ihn. Er zog verwirrt eine Augenbraue hoch. »Bereust du, dass unsere Fehde beendet ist und dass du mich nicht getötet hast, als du die Gelegenheit dazu hattest?«
Puck schenkte mir ein gequältes Lächeln. »Oh, ein Teil von mir wird unsere netten kleinen Duelle immer vermissen, Prinz«, antwortete er leichtfertig. »Es geht doch nichts über einen anständigen Mordversuch, wenn man jemandem so richtig nah sein will, oder?« Sein Grinsen erstarb, ein Schatten legte sich über sein Gesicht und er blickte mich ernst an. Dann schüttelte er den Kopf und sagte leise: »In Wahrheit bin ich froh darüber, dass es vorbei ist.« Er kratzte sich am Hinterkopf. »Ich wollte das nie, und ich habe es gehasst, ständig auf der Hut sein zu müssen, wo ich doch wusste, dass du die Sache auch nicht wirklich durchziehen wolltest, Prinz. Besonders gegen Ende hin.«
»Aber?«, hakte ich nach.
»Aber wenn ich Anzeichen dafür sehe, dass du dich in etwas verwandelst wie … das …« Puck schauderte. »Wenn ich den Verdacht habe, dass du Mab um die Ecke bringen und den Winterthron an dich reißen willst, brauche ich keine formelle Duellforderung, dann tauche ich ganz von allein in Tir Na Nog auf.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich mit einer Mischung aus Bedauern und Entschlossenheit. »Wenn es so weit kommt, Prinz, dann werde ich dich aufhalten.«
Ich erhob mich. Ein leichter Wind strich über den Fluss, fuhr durch meine Haare und zupfte an meiner Kleidung. Ich umklammerte die Reling und starrte aufs Wasser, spürte aber immer noch seinen Blick im Rücken. »Wenn es so weit kommt«, erklärte ich ihm leise, »werde ich mir wünschen, dass du das tust.«
Die Fähre trieb immer weiter über den scheinbar endlosen Fluss der Träume. Nie ging die Sonne auf, nie verblasste die Nacht. So tief in der Großen Wildnis war ewig Mitternacht. Je weiter wir kamen, desto mehr Traumschutt erschien im Wasser, und immer größere und seltsamere Fragmente glitten an uns vorbei: ein Kirschbaum, der mitten im Fluss verwurzelt war und seine rosa Blütenblätter wie Schnee auf uns herabregnen ließ; ein gläserner Sarg, in dem eine schwarzhaarige Prinzessin lag, die bleichen Hände im Schlaf ordentlich auf der Brust gefaltet; ein langer Tisch mit Kanne, Teller und Tassen – ein komplettes Teeservice. Puck schnappte sich einen großen Korb mit Keksen, als wir dieses Arrangement passierten.
Ich konnte nicht genau sagen, wie lange die Fähre uns über den Fluss trug. Wir hielten abwechselnd Wache, aßen und schliefen, wenn es sich ergab, und unterhielten uns viel. Puck wurde schnell rastlos, und mit einem gelangweilten Robin Goodfellow und einem riesigen, aggressiven Wolf auf engem Raum zusammengepfercht zu sein, war an sich schon ein Albtraum. Nach einem heftigen Streit, der fast das Boot zum Kentern brachte, schlug ich schließlich vor, dass Puck seine Rabengestalt annehmen und auf »Erkundungsflug« gehen sollte, worauf er sich zur allgemeinen Erleichterung gerne einließ.
Nachdem Puck weg war, beruhigte sich die Lage etwas. Grimalkin schlief fast die ganze Zeit und der Wolf lief entweder wie ein Tiger im Käfig auf und ab oder er rollte sich achtern zusammen und starrte mit flackerndem Blick in die Ferne. Er sprach fast nie mit uns, doch hin und wieder, wenn er Wache hatte und wir anderen eigentlich schlafen sollten, erwischte ich ihn dabei, wie er sich mit Grimalkin unterhielt. Ihre Stimmen waren jedoch zu leise, um sie zu verstehen. Waren wir anderen wach, ignorierten sich die beiden demonstrativ oder warfen
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