Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht
Herz; ich habe ihren Geist gebrochen, ihr Wesen zerstört. Und ich habe es genossen.«
Ich hatte mit so etwas gerechnet, aber trotzdem machte es mich ganz krank: zu wissen, dass Ash so herzlos sein konnte, nicht anders als all die anderen launenhaften Feen, die mit den Gefühlen der Menschen spielten. Dieses sechzehnjährige, einsame Mädchen, das sich nach Liebe gesehnt hatte, war so gewesen wie ich früher. Wenn an diesem Tag ich statt ihr am Waldrand gewesen wäre, hätte Ash dasselbe mit mir gemacht.
»Was ist mit ihr passiert?«, fragte ich, als er wieder schwieg.
Ash schloss die Augen. »Sie starb«, sagte er schlicht. »Sie konnte nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, nur noch dahinwelken, bis ihr Körper so schwach wurde, dass er aufgab.«
»Und du hattest deswegen schreckliche Schuldgefühle?«, vermutete ich, weil ich in dieser Geschichte noch irgendeine Moral zu finden versuchte, eine Lektion, die er gelernt hatte, irgendetwas.
Aber Ash schüttelte mit einem bitteren Lächeln den Kopf. »Ich habe keinen Gedanken an sie verschwendet«, sagte er und zerstörte damit meine Hoffnungen. Mein Magen rebellierte. »Dass wir keine Seele haben, befreit uns auch von jeder Art von Gewissen. Sie war nur ein Mensch, noch dazu ein törichter Mensch, der sich in ein Feenwesen verliebt hatte. Sie war nicht die Erste und sie würde auch nicht die Letzte sein. Doch ihre Großmutter, die Hohepriesterin ihres Clans, war nicht so töricht. Sie spürte mich auf und sagte mir, was ich dir gerade erzählt habe: Sie verfluchte mich und versprach, dass ich dazu verdammt sei, alle zu verlieren, die mir wirklich etwas bedeuteten, und dass dies der Preis dafür sei, dass ich keine Seele habe. Natürlich tat ich das als den Aberglauben eines schwachen Sterblichen ab … bis ich mich in Ariella verliebte.« Seine Stimme wurde noch leiser. »Und jetzt in dich.«
Er wandte sich ab und starrte wieder auf die Ebene hinaus.
»Als mir Ariella genommen wurde, verstand ich plötzlich. Wir haben zwar kein Gewissen, aber wenn man sich verliebt, verändern sich die Dinge. Ich verstand, was ich diesem Mädchen angetan hatte, den Schmerz, den sie meinetwegen durchlitten hatte. Und ich sagte mir, dass ich nie wieder den Fehler machen würde, irgendjemanden an mich heranzulassen.« Er lachte verbittert und schüttelte den Kopf. »Und dann kamst du daher und hast all das ruiniert.«
Ich konnte nicht antworten. Immer noch sah ich dieses Mädchen vor mir und den schönen dunkelhaarigen Fremden, in den sie sich verliebte und der ihr den Tod brachte.
»Warum erzählst du mir das?«, flüsterte ich schließlich.
»Weil ich will, dass du begreifst, was ich bin.« Ash sah ernst und grimmig auf mich herunter. »Ich bin kein Mensch mit spitzen Ohren, Meghan. Ich bin eine Fee, und das werde ich auch immer bleiben. Seelenlos. Unsterblich. Aufgrund dessen, was ich an diesem Tag getan habe, ist jemand gestorben, den ich liebte. Und jetzt stehen wir hier, am Vorabend des Krieges, und …« Er sah in den Abgrund hinunter und seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Und ich habe Angst. Ich habe Angst, dass ich dich genauso im Stich lassen werde wie Ariella und dass die Verbrechen meiner Vergangenheit für uns jede Chance auf eine Zukunft zunichtemachen. Dass du erkennen wirst, wer ich wirklich bin, was ich wirklich bin, und dass du irgendwann nicht mehr da sein wirst, wenn ich mich umdrehe.«
Der Wind zerrte an seinen Haaren und seiner Kleidung und ließ Aschewolken durch die Stille tanzen. Einer der Gleiter an der Mauer drehte den Kopf und summte verschlafen. Ash stand kerzengerade, mit starrem Rücken und durchgedrückten Schultern, gewappnet für meine Reaktion. Er stellte sich darauf ein, Schritte zu hören, die sich über die Treppe entfernten. Ich sah, wie seine Schultern bebten, und fing einen Hauch von Angst auf, bevor er sie verbergen konnte.
Ich trat ganz nah zu ihm, schlang ihm die Arme um den Bauch und hörte, wie er leise einatmete, als ich ihn an mich zog. »Das war vor langer Zeit«, murmelte ich, legte die Wange an seinen Rücken und lauschte seinem pochenden Herzen. »Du hast dich seitdem verändert. Der alte Ash würde kein dummes Menschenmädchen mit seinem Leben schützen oder ihr Ritter werden oder mit ihr ins Exil gehen. Auf dem gesamten Weg warst du immer da, bei jedem Schritt warst du an meiner Seite. Ich werde dich jetzt bestimmt nicht gehen lassen.«
»Ich bin ein Feigling.« Ashs Stimme klang kleinlaut. »Wenn ich dich so lieben
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