Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht
sah ich Puck scharf an. Er wand sich auf seiner Armlehne, wich meinem Blick aus, und plötzlich rutschte mir das Herz in die Hose.
Nein, nein. Nicht du, Puck. Ich kenne dich doch schon ewig. Sag mir, dass du nichts damit zu tun hattest.
Leanansidhe lachte wieder. »Tja, welch unerwartetes Drama. Fantastisch! Dafür muss ich eine Bühne schaffen.« Sie klatschte in die Hände und die Lichter erloschen abrupt, bis auf einen einzelnen Strahl über dem Piano.
»Lea, nein.« Pucks Stimme überraschte mich – leise, rau und fast verzweifelt. Mein Herz rutschte noch weiter. »Nicht so. Lass es mich ihr erklären.«
Leanansidhe warf Puck einen unbarmherzigen Blick zu und schüttelte den Kopf. »Nein, mein Lieber. Ich denke, es ist nötig, dass das Mädchen die Wahrheit erfährt. Du hattest jede Menge Zeit, es ihr zu erzählen. Du bist also selbst schuld.« Sie wedelte mit der Hand und Musik erklang – dunkle, Unheil verkündende Klavierklänge –, obwohl niemand am Flügel saß. Ein zweiter Strahler richtete sich nun auf Leanansidhe, während sie sich mit wogendem Kleid und wehenden Haaren erhob. Aufrecht und mit ausgebreiteten Armen, als wolle sie ihr Publikum umarmen, schloss die Dunkle Muse die Augen und begann zu sprechen.
»Es waren einmal zwei Sterbliche.«
Ihre melodische Stimme erklang in meinem Kopf und vor mir erschienen so klare Bilder, als würde ich einen Film sehen. Ich sah meine Mom, jünger, lächelnd und sorglos, wie sie mit einem großen, schlanken Mann Händchen hielt, den ich jetzt auch erkannte. Paul. Mein Dad. Sie redeten und lachten, waren offensichtlich verliebt und blind für den Rest der Welt. Es schnürte mir die Kehle zu.
»In den Augen der Sterblichen«, fuhr Leanansidhe fort, »waren sie unscheinbar. Zwei Seelen in einer Masse von identischen Menschen. Doch für die Welt der Feen waren sie sprudelnde Quellen des Scheins, Leuchtfeuer in der Nacht. Eine Malerin, deren Bilder ein solches Eigenleben entwickelten, dass sie fast schon sangen, und ein Musiker, dessen Seele mit der Musik verschmolzen war – und ihre Liebe mehrte ihre Talente noch.«
»Moment«, platzte ich heraus und unterbrach damit die Geschichte. Leanansidhe blinzelte, senkte die Hände, und der Strom der Bilder riss holpernd ab. »Ich glaube, da liegst du falsch. Mein Dad war kein großer Musiker, er war Versicherungsvertreter. Ich meine, klar, er hat Klavier gespielt, aber wenn er wirklich so gut war, warum hat er dann nicht was mit Musik gemacht?«
»Wer erzählt hier die Geschichte, Liebes?« Die Königin der Exilanten starrte mich gereizt an und die Lichter flackerten wieder. »Sagt dir der Begriff ›hungernder Künstler‹ etwas? Dein Vater war sehr talentiert, aber mit Musik konnte er nicht die Rechnungen bezahlen. Also, willst du die Geschichte jetzt hören oder nicht, Liebes?«
»Sorry«, murmelte ich und sank auf das Sofa zurück. »Bitte mach weiter.«
Leanansidhe schnaufte, warf ihr Haar über die Schulter und der Film lief weiter, als sie fortfuhr: »Sie heirateten, und wie das bei Menschen oft der Fall ist, lebten sie sich langsam auseinander. Der Mann nahm einen neuen Job an, der es erforderte, dass er oft lange Zeit nicht zu Hause war. Seine Musik verkümmerte und versiegte schließlich ganz. Seine Frau malte weiterhin, wenn auch nicht mehr so oft wie früher. Jetzt war ihre Kunst allerdings von Sehnsucht erfüllt, von dem Verlangen nach mehr. Und vielleicht lenkte genau das den Blick des Sommerkönigs auf sie.«
Ich biss mir auf die Lippe. Diesen Teil der Geschichte hatte ich schon einmal gehört, von Oberon persönlich, aber das machte es nicht leichter.
Ash drückte meine Schulter.
»Wenig später wurde ein Kind geboren, ein Kind zweier Welten, halb Fee und halb Sterbliche. Daraufhin wurde am Sommerhof viel spekuliert. Man fragte sich, ob das Kind in das Reich der Feen geholt und dort als Tochter Oberons aufgezogen werden sollte oder ob es bei seinen sterblichen Eltern in der Menschenwelt bleiben sollte. Unglücklicherweise floh die Familie mit dem Kind, bevor eine Entscheidung gefällt werden konnte. Sie ließen die Kleine wie von Zauberhand aus Oberons Einflussgebiet verschwinden. Bis heute weiß niemand, wie sie das angestellt haben, obwohl es Gerüchte gibt, dass die Mutter des Mädchens einen Weg gefunden hat, sie alle zu verbergen. Möglicherweise war sie gegenüber dem Feenreich nicht so blind, wie es zunächst den Anschein hatte.
Ironischerweise war es die Musik des Mannes, die sie
Weitere Kostenlose Bücher