Plötzlich Fee - Das Geheimnis von Nimmernie: Band 5 - (German Edition)
zwang, ihn anzusehen.
»Du befindest dich jetzt im Reich der Dunklen, vergiss das nicht«, warnte er mich. »Was auch immer du in dieser Hütte sehen wirst, starr es nicht an und sag unter keinen Umständen etwas über ihr Kind, verstanden?«
Hastig nickte ich. Ich hätte allem zugestimmt, wenn mir nur wieder warm wurde. Ash ließ mich los, trat auf die knarzende, schneebedeckte Veranda und klopfte an die Tür.
Eine Frau öffnete und musterte uns mit müden, blutunterlaufenen Augen. Eine graue Robe mit Kapuze umhüllte ihren Körper wie ein alter Vorhang, und obwohl ihr Gesicht noch ziemlich jung schien, war es von tiefen Falten durchzogen und wirkte erschöpft.
»Prinz Ash?«, fragte sie mit brüchiger, atemloser Stimme. »Was für eine Überraschung. Was kann ich für Euch tun, Hoheit?«
»Wir würden gerne die Nacht hier verbringen«, erklärte Ash leise. »Meine Begleitung und ich. Wir werden dir keine Umstände machen und morgen früh sofort aufbrechen. Lässt du uns rein?«
Die Frau blinzelte verwirrt. »Natürlich«, murmelte sie und machte die Tür weit auf. »Bitte, kommt herein. Macht es euch bequem, ihr armen Kinder. Ich bin Dame Liaden.«
Erst da sah ich ihr Baby, das sie liebevoll in dem freien Arm hielt, und ich musste mir auf die Lippe beißen, um ein entsetztes Keuchen zu unterdrücken. Die faltige, grässliche Kreatur in der fleckigen, weißen Decke war das scheußlichste Kind, das ich je gesehen hatte. Sein deformierter Schädel war viel zu groß für den Körper, die winzigen Glied maßen waren dürr und verschrumpelt und seine Haut hatte einen ungesunden, bläulichen Farbton, so als wäre es ertrunken oder draußen in der Kälte vergessen worden. Das Kind strampelte schwach und stieß einen leisen, unheimlichen Schrei aus.
Es war etwa so, als würde man ein Zugunglück beobachten. Ich konnte die Augen nicht abwenden … bis Ash mir heftig seinen Ellbogen in die Rippen rammte. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte ich automatisch und betrat hinter Ash die Hütte. Drinnen brannte ein Feuer im Kamin, dessen Wärme sofort durch meine erfrorenen Glieder strömte. Ich seufzte erleichtert.
Nirgendwo in der Hütte stand eine Wiege und die Frau legte ihr Kind auch kein einziges Mal ab, während sie durch den Raum lief, sondern umklammerte es, als hätte sie Angst, dass es ihr jemand wegnehmen könnte.
»Das Mädchen kann das Bett am Fenster nehmen«, beschied Liaden, während sie das Baby in eine weitere schäbige Decke wickelte. »Ich muss jetzt leider gehen, aber fühlt euch bitte ganz wie zu Hause. Im Regal findet ihr Tee und Milch und im Schrank sind noch zusätzliche Decken. Aber es ist schon kurz vor Mitternacht und wir müssen dringend gehen. Lebt wohl.«
Sie drückte ihr Baby an die Brust, öffnete die Tür, wobei sie einen eisigen Windstoß hereinließ, und trat in die Nacht hinaus. Die Tür fiel ins Schloss, und wir waren allein.
»Wo geht sie hin?«, fragte ich und ging näher ans Feuer. Meine Finger begannen zu kribbeln, endlich kehrte etwas Leben in sie zurück. Ash sah mich nicht an.
»Das willst du nicht wissen.«
»Ash …«
Er seufzte. »Sie wird ihr Baby im Blut eines menschlichen Kindes waschen, damit es wieder stark und gesund wird. Wenn auch nur für kurze Zeit.«
Angewidert wich ich zurück. »Das ist ja grauenhaft!«
»Du wolltest es ja unbedingt wissen.«
Schaudernd rieb ich mir die Arme und schaute durch das schmutzige Fenster nach draußen. Das Mondlicht fiel schimmernd durch die Scheiben, und die Landschaft dahinter war in Frost erstarrt. Dies war das Reich der Dunklen, genau wie Ash es gesagt hatte. Ich war weit weg von zu Hause, meiner Familie und der Sicherheit eines normalen Lebens.
Ich schloss die Augen und begann erneut zu zittern. Was würde mit mir geschehen, wenn ich erst mal am Winterhof war? Würde Mab mich in einen Kerker werfen oder mich vielleicht an ihre Kobolde verfüttern? Was würde eine jahrhundertealte Feenkönigin der Tochter ihres Erzfeindes antun? Was auch immer es sein würde, ich konnte mir nicht vorstellen, dass es mir sonderlich guttun würde. Die Angst kroch mir tief in die Eingeweide.
Ich spürte Ash hinter mir, so nah, dass sein Atem meinen Nacken streifte. Er berührte mich nicht, aber seine starke Präsenz und Gelassenheit wirkten beruhigend. Auch wenn der logisch denkende Teil meines Gehirns mir sagte, dass ich mich vor ihm vielleicht am meisten fürchten sollte.
»Also, wie wird das ablaufen?«, fragte ich ruhig und
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