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Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen

Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen

Titel: Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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wollte.
    »Ähm.« Sie beugte sich noch näher zu mir und zeigte mit einem schlanken Finger auf die krakeligen Nummern. »Ist das eine Sechs oder eine Null?«
    »Eine Sechs«, erklärte ich mit rauer Stimme und trat schnell einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Verdammt, mein Herz war immer noch auf hundertachtzig. Was zum Teufel war mit mir los?
    Ich reichte ihr den Zettel. »Darf ich jetzt gehen?«
    Grinsend schob sie das Papier in ihre Hosentasche, schien aber für einen Moment enttäuscht zu sein. »Lass dich von mir nicht aufhalten, Machoman. Ich ruf dich dann heute Abend an, ja?«
    Wortlos ging ich an ihr vorbei, und diesmal gab sie den Weg frei.
    Die Kali-Stunde war brutal. Da uns nicht mal mehr eine Woche bis zum Turnier blieb, war Guro Javier fanatisch darauf bedacht, dass wir alle unser Bestes gaben.
    »Die Stöcke immer in Bewegung halten, Ethan«, rief Guro und beobachtete, wie mein Trainingspartner und ich einander umkreisten, jeder mit zwei Rattanstöcken bewaffnet. Ich nickte und ließ die Sticks herumwirbeln, blieb im vorgegebenen Rhythmus, während ich gleichzeitig nach Lücken in der Deckung meines Gegners suchte. Wir trugen leichte Schutzkleidung und Helme, damit die Stöcke keine hässlichen Striemen auf der Haut hinterließen, die schnell anschwollen, und damit wir fest zuschlagen konnten, ohne dabei den anderen ernsthaft zu verletzen. Was nicht heißen sollte, dass ich nicht des Öfteren mit hübschen blauen Flecken nach Hause kam – »Tapferkeitsmale«, wie Guro das nannte.
    Mein Trainingspartner sprang vor. Ich wich seitlich aus und blockte mit einem Stick seinen Schlag, während ich mit dem anderen drei schnelle Hiebe gegen seinen Helm führte.
    »Gut!«, lobte Guro und schloss so die Runde ab. »Ethan, achte auf deine Stöcke. Sie dürfen nicht einfach nur rumhängen, sondern müssen in Bewegung bleiben, immer im Fluss. Chris: Beim nächsten Mal seitlich weg, nicht nur zurückweichen und abwarten, bis er zuschlägt.«
    »Ja, Guro«, antworteten wir beide, verbeugten uns voreinander und beendeten damit den Kampf. Ich ging in eine Ecke, nahm den Helm ab und ließ die kühle Luft über mein Gesicht streichen. Vielleicht war ich ja wirklich aggressiv und gewaltbereit, aber ich liebte das alles: die tanzenden Stöcke, das Adrenalin, das laute Knacken, wenn die Waffe einen empfindlichen Punkt an der Rüstung des Gegners traf … Es gab keinen besseren Kick auf der Welt. Solange ich hier war, war ich einfach nur einer der Schüler, die bei Guro Javier lernten. Nur beim Kali konnte ich den Rest meines Lebens, die Schule und diese ständigen kritischen Blicke vergessen und ganz ich selbst sein.
    Außerdem gab es kaum einen besseren Weg, um angestaute Aggressionen loszuwerden, als mit Stöcken auf jemanden einzuschlagen.
    »Gute Leistung, allesamt«, rief Guro und ließ uns im vorderen Teil der Halle antreten. Wir verneigten uns vor unserem Lehrer und hoben dabei einen Stock ans Herz und den anderen an die Stirn. Dann fuhr er fort: »Denkt daran, das Turnier findet diesen Samstag statt. Alle, die an der Vorführung teilnehmen, sollten etwas früher da sein, damit sie sich aufwärmen und noch einmal die Figuren und Choreografien durchgehen können. Und Ethan«, er sah mich kurz an, »ich möchte noch mit dir sprechen, bevor du gehst. Damit seid ihr für heute entlassen.« Er klatschte in die Hände, und die anderen zerstreuten sich, bereits in aufgeregte Gespräche über das Turnier und andere Kali-Neuigkeiten vertieft. Ich zog die Rüstung aus, legte sie sorgfältig auf die Matten und wartete.
    Guro gab mir ein Zeichen, und wir gingen in eine Ecke, um die Pratzen und Ersatzstöcke einzusammeln, die an der Wand lagen. Nachdem wir sie ordentlich im Regal verstaut hatten, drehte ich mich um und bemerkte, wie Guro mich mit ernster Miene musterte.
    Guro Javier war kein großer Mann, sogar barfuß war ich noch ein paar Zentimeter größer als er, und ich war selbst nicht überdurchschnittlich hochgewachsen. Dabei war ich ziemlich durchtrainiert, nicht so breit wie ein Linebacker, aber ich achtete auf ein regelmäßiges Work-out. Guro bestand nur aus Sehnen und schlanken Muskeln und war der geschmeidigste Mensch, dem ich jemals begegnet war. Selbst beim Training oder den Aufwärmübungen sah er aus wie ein Tänzer. Er ließ seine Waffen mit einer Geschwindigkeit kreisen, die ich mir erst noch aneignen musste – falls mir das jemals gelingen sollte. Dabei konnte er zuschlagen wie

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