Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen
Nacken war steif und mein Bein halb taub. Ich war mit dem Kinn auf der Brust eingeschlafen, die Arme fest verschränkt. Automatisch wollte ich mich strecken, erstarr te dann aber mitten in der Bewegung. Irgendwie hatte Kenzie es geschafft, sich auf der schmalen Sitzbank zusammenzurollen, und schlief nun mit dem Kopf auf meinem Oberschenkel.
Einen Moment lang beobachtete ich, wie ihre Brust sich langsam hob und senkte und die Sonnenstrahlen über ihre Wangen tanzten. Dieser Anblick löste in mir einen fast schon übermächtigen Beschützerinstinkt aus, das geradezu schmerzhafte Verlangen, sämtliche Gefahren von ihr fernzuhalten. Sie murmelte etwas und kroch noch dichter an mich heran. Unwillkürlich hob ich die Hand und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Als mir bewusst wurde, was ich da tat, zog ich hastig die Hand zurück und ballte sie zur Faust. Verdammt, was war nur los mit mir? Ich durfte mich nicht in dieses Mädchen verlieben. Das war gefährlich, und zwar für uns beide. Wenn wir in die Welt der Sterblichen zurückkehrten, würde Kenzie ihr altes Leben wieder aufnehmen, mit ihren alten Freunden und ihrer Familie, genau wie ich. Das Letzte, was sie dann brauchte, war einer wie ich, der nur Unglück und Chaos anzog und immer wieder in Schwierigkeiten geriet, egal wie sehr er auch versuchte, das zu vermeiden.
Ich hatte schon einmal das Leben eines Mädchens zerstört. Das würde mir bestimmt kein zweites Mal passieren. Selbst wenn das hieß, dass ich dafür sorgen musste, dass Kenzie mich hasste – ich würde ihr nicht dasselbe antun, was ich Sam angetan hatte.
»Hey.« Ich rüttelte sanft an ihrer Schulter. »Aufwachen.«
Mit einem Stöhnen drehte sie die Schulter von mir weg. »Nur noch zwei Minuten, Mom.«
Es war zwar gemein, aber ich rutschte von ihr weg, sodass sie mit dem Kopf auf die Bank knallte. »Aua!« Abrupt setzte sie sich auf und rieb sich den Schädel. »Was soll das denn, Ethan?«
Ich ignorierte die Gewissensbisse und deutete mit dem Kopf Richtung Fenster. »Wir sind fast da.«
Kenzie warf mir einen verärgerten Blick zu, doch als sie aus dem Fenster schaute, machte sie große Augen.
Mag Tuiredh. Der Eiserne Hof. Ich war niemals dort gewesen, hatte die Stadt niemals gesehen. Nur die Geschichten kannte ich, die Gerüchte, die man so hört, wenn man jahrelang mit Feen zu tun hat. Meghan hatte mir nie gesagt, wo sie lebte und herrschte, obwohl ich sie vor ihrem Verschwinden unzählige Male danach gefragt hatte. Sie wollte nicht, dass ich es wusste, es mir vorstellte und Bilder in den Kopf bekam, die mich dazu verleiten könnten, nach ihr zu suchen.
Natürlich hatte ich trotzdem eine gewisse Vorstellung entwickelt. Aber für mich war die Stadt hässlich gewesen, eine Monstrosität, alles überlagert von Erinnerungen an einen kahlen, schwarzen Turm mitten in einem toten Ödland. Die Stadt am Ende der Bahnstrecke war alles andere als das.
Selbst aus der Entfernung sah man, dass sie alt war. Auf Mauern und Dächern wuchs Moos, und überall wucherten Schlingpflanzen. Bäume brachen durch den Fels, ihre Wurzeln ringelten sich um und über die Steine. Einige der Gebäude waren groß, enorm groß. Sie sahen viel gigantischer aus, als sie tatsächlich waren, und wirkten, als wären sie von Riesen erbaut worden.
Außerdem funkelte die Stadt. Die Sonne wurde von metallenen Türmen reflektiert, zwischen Nebel und Dampfwolken schimmerten Lichter, Glasfenster fingen noch die letzten Strahlen ein und schickten sie in den Himmel zurück. Es erinnerte mich an eine Stadt im Aufbau, in der sich schlanke Metallkonstruktionen mit alten, überwucherten Häusern abwechselten. Und über allem erhob sich ein riesiges Schloss: Stolz und eindrucksvoll reckten sich seine glänzenden Türme den Wolken entgegen, wie ein glitzernder Berg thronte es über Mag Tuiredh.
Das Zuhause der Eisernen Königin.
Schnaufend, klappernd und ruckelnd kam der Zug am Bahnhof zum Stehen. Beim Blick aus dem Fenster kniff ich die Augen zusammen. Hier waren wesentlich mehr Eiserne Feen versammelt als in der winzigen Grenzstadt am See, viele davon Wachen oder Feen in Rüstung. Ritter, die das Emblem eines großen eisernen Baumes auf der Brust trugen, standen stramm oder patrouillierten zu zweit durch die Straßen, um die Passanten zu überwachen.
»Nun?« Als hinter uns die vertraute Stimme erklang, fuhren wir erschrocken herum. Grimalkin saß auf der Bank gegenüber und musterte uns träge. »Wollt ihr etwa hier sitzen
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