Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen
war Ashs und Meghans Sohn . Warum war ich da nicht schon längst drauf gekommen? Es passte alles: sein menschliches Blut, seine Eisenmagie, selbst seine Mimik, die mir seltsam bekannt vorgekommen war. Natürlich war sie mir vertraut, ich hatte dieses Mienenspiel ja auch oft genug gesehen – bei Meghan. Jetzt sah ich die Ähnlichkeit: seine Augen, seine Haare, die Gesichtszüge – ein Ebenbild meiner Schwester. Aber auch Ashs Schatten spiegelte sich in ihm, in der Form des Kiefers, der Haltung, der Art, wie er sich bewegte.
Eine Sekunde lang hasste ich ihn.
Bevor einer von uns etwas sagen konnte, zischten und keuchten die Exilanten um uns herum und wichen vor Keirran zurück, als hätte er eine ansteckende Krankheit. Die gemurmelte Warnung »der Eiserne Prinz« breitete sich aus, und die versammelten Feen schienen nicht zu wissen, ob sie sich jetzt verbeugen oder fluchtartig den Raum verlassen sollten. Leanansidhe warf uns beiden einen extrem gereizten Blick zu, als wären wir plötzlich schuld an ihren Kopfschmerzen, und schnippte mit den Fingern.
»Annwyl, Liebes.« Bei dem Ton, den sie anschlug, machte sich das Feenmädchen möglichst klein, woraufhin Keirran sich schützend neben sie stellte. »Würdest du bitte hier warten, Kleines? Versuche, die Menge in Schach zu halten, während ich mich um dieses kleine Ärgernis kümmere. Ihr drei …«, ihr kalter Blick richtete sich auf uns, und ihr Ton ließ auch jetzt keinerlei Widerspruch zu, »folgt mir. Und Keirran: Halte diesen verfluchten Gremlin diesmal unter Kontrolle, sonst sehe ich mich gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen.«
Kenzie, die völlig unbeachtet neben uns gestanden hatte, warf mir einen besorgten Blick zu, den ich mit einem möglichst unbefangenen Schulterzucken beantwortete. Brav gingen wir hinter Leanansidhe her, doch Annwyl und Keirran blieben zurück. Leanansidhe verdrehte die Augen. »Heute noch, ihr Lieben.« Sie seufzte melodramatisch, als Annwyl sich schließlich abwandte und Keirran mit einem verlorenen Blick stehen ließ. »Solange ich noch vernünftig genug bin, niemanden in ein Cello zu verwandeln.«
In einer Wolke aus blauem Rauch wirbelte die Königin der Exilanten herum und führte uns durch lange, mit roten Teppichen ausgelegte Flure zu einer Bibliothek. An den Wänden ragten hohe Bücherregale auf, und eine fröhliche Melodie schwebte durch den Raum, gespielt von einem menschlichen Geiger, der ganz hinten in einer Ecke stand.
»Verschwinde, Charles«, befahl Leanansidhe, sobald sie die Bibliothek betrat, woraufhin der Mann hastig sein Instrument einpackte und durch eine zweite Tür davonhuschte.
Die Königin der Exilanten wandte sich zu uns um. »Nun denn!«, rief sie voller Dramatik und musterte mich eindringlich. Ihre Haare schwebten wie eine Wolke um ihren Kopf. »Ethan Chase, das ist wahrlich eine Überraschung. Der Sohn und der Bruder der Eisernen Königin kommen gleichzeitig zu Besuch, welch ein Event. Wie geht es deiner großen Schwester, Liebes? Ich nehme an, du hast sie kürzlich gesehen?«
»Meghan geht es gut«, murmelte ich verlegen. Mit Keirran neben mir fühlte ich mich befangen. Jetzt, wo ich wusste, dass wir … verwandt waren, kam es mir komisch vor, in seinem Beisein über Meghan zu reden.
Scheiß drauf. Weißt du, was wirklich komisch ist? Einen Neffen zu haben, der in deinem Alter ist. Dass deine Schwester ein Kind hat und ihrer Familie nichts davon sagt. Der Onkel einer verdammten Halb-Fee zu sein! Komisch? Nein, das ist alles so schräg, da ist nichts Komisches mehr dran.
Leanansidhe schnalzte mit der Zunge und wandte sich Keirran zu. Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen. »Und Keirran, du schlimmer Junge«, schnurrte sie. »Du hast es ihm nicht gesagt, wie?« Sie schüttelte den Kopf und lachte leise. »Welch ein unerwartetes Familiendrama, nicht wahr? Ich frage mich, was die Eiserne Königin wohl sagen würde, wenn sie jetzt hier wäre?«
»Einen Moment, bitte«, mischte Kenzie sich ein, offenbar vollkommen fassungslos. »Keirran ist dein Neffe ? Er ist der Sohn der Eisernen Königin? Aber … ihr seid doch fast gleich alt!«, stellte sie mit einer ausholenden Geste fest. »Wie kann das denn bitte gehen?«
»Na ja.« Keirran zuckte verlegen mit den Schultern. »Weißt du noch, wie das mit den verrückten Zeitunterschieden zwischen der Menschen- und der Feenwelt war? Das gehört auch dazu. Außerdem wachsen Feen schneller heran als Sterbliche – das entwickelt sich wohl so, wenn
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