Plötzlich Royal
Dusche wegen der Mikrofone“, sagte ich zu Simon nach einer halben Stunde.
Also zog ich Timm ins Badezimmer. Wir zogen uns aus, halfen einander dabei, und dann in der Duschkabine beim gegenseitigen langsamen Einseifen beim Plätschern der nicht ganz abgeschalteten Brause Zeit für einen langen intensiven Kuss und danach etwas unbelauschte Konversation.
„Cramer sagt, irgendwer im Palast will uns medienwirksam umbringen.“
„Ja, ich weiß. Ich war so ein Trottel, dass ich mich von Sir Baron überreden ließ. Aber ich wollte einfach wieder bei euch beiden sein. Ich hab Schiss.“
„Schht“, flüsterte ich und ein Kuss brachte die Leidenschaft zurück. Ich hatte Kontakt zum Emo aufgebaut, das war gut. Das Spiel mit Mund und Zunge wurde intensiver. Unsere Hände tasteten immer schneller immer intimere Stellen des anderen ab und … Simon klopfte an die Scheibe der Duschkabine.
„Mr Grant will, dass du sofort zurückrufst. Er klang wütend. Wir würden uns wie Teenies und nicht wie Erwachsene aufführen, geschweige denn wie Royals. Das könne so nicht weitergehen. Ich habe ihm schon erklärt, wir würden eben mitten in der Mid-Twen-Crisis stecken. Er meinte, so etwas gäbe es gar nicht. Sei also freundlich.“
Also ging ich hinaus und Simon zu Timm herein. Ich trocknete mich ab und gab in das Telefon auf dem Nachttischchen Grants Kurzwahl ein, doch es ging keiner ran. Simon war ich nicht böse wegen des augenscheinlich kleinen Tricks. In der Zwischenzeit konnte ich ja mal im Internet nachsehen, was die Community zur aktuellen Situation meinte.
Auf queer.de war selbstverständlich das Papier der homophoben Commonwealth-Staaten der Aufmacher, und das Palastmäuschen musste nun dringend in die Diskussion darum eingreifen.
„Also! Gerade kursiert ein ziemlich übles, beleidigendes Papier gegen uns und unseren König, das von verschiedenen homophoben Staaten unterzeichnet wurde. Sascha hat von solch einer infamen Beleidigung der LGBT-Community ausdrücklich nicht offiziell Kenntnis genommen. So wird mit jeder Beleidigung der britischen Krone verfahren. Keine ernst zu nehmende Person hat Seiner Majestät die Abdankung nahegelegt. Selbstverständlich freuen sich Simon und Sascha sehr über die Unterstützung aus der Community. Lasst nicht nach, damit die Jamaika-Gruppe politisch isoliert bleibt. Ein stiller, friedlicher Protest vor deren Botschaften wäre schön. Es wäre ein Zeichen, dass einer offenen, toleranten und gewaltfreien Gesellschaft die Zukunft gehört. Grüße aus dem Buckingham-Palast. Euer Mäuschen.“
„Ist doch kein Problem, oder?“, fragte Simon und deutete auf eine Schachtel Kondome in seiner Hand.
Mir lag ein „Kein Problem!“ auf der Zunge. Bei CSD-Partys hatte jeder von uns seine One-Night-Stands, doch wir waren nicht bei einer solchen Fete und außerdem wurmte es mich nun doch, wenn er mit Timm duschte.
„Schmusen ja, aber angesichts der anrollenden Kritikwelle sollten wir alle drei da die Grenze ziehen. Zieht euch an. Wäsche kann er von uns haben und dann schauen wir uns zusammen den Schaden im Internet an.“
Simon musste einen langen Moment gegen seine Hormone kämpfen. Danach legte er die Schachtel allerdings zurück und nickte. Kurz darauf lagen wir alle drei auf dem Bett. Timm in der Mitte mit dem Laptop auf den Knien. Mit seinen extrem langen, dünnen Fingern tippte er flink bei Google News „Schande König“ ein, und prompt führten jamaikanische Zeitungen die Ergebnisliste an.
„Schockierend unkönigliches Verhalten in Auftreten und Moral. Abdankung bereits von vielen Staatschefs gefordert“, lautete der Grundtenor der Presse in den homophoben Staaten von Jamaika über den Senegal bis Malaysia. Der Premierminister Malaysias ließ in einem Bericht einmal mehr seine Landsleute wissen, dass er nicht nur Westerwelle sofort verhaften würde, sondern auch den noch amtierenden britischen König. Unter dem Artikel durfte das Publikum seine Meinung posten; die meisten zogen heftig über uns Schwule her. Der Fernsehsender Al Jazeera zeigte einen wütenden Mob in Islamabad, der vor der britischen Botschaft Fahnen verbrannte und sich küssende Puppen am Galgen anzündete.
„Warum jetzt? Du bist ja nicht der erste Schwule. Vor der isländischen Botschaft protestierte auch keiner, als eine Lesbe Regierungschefin wurde“, wunderte sich Timm.
„In Pakistan weiß keiner, dass Island überhaupt existiert. Über den Commonwealth fühlen sie sich bei mir direkt betroffen, was
Weitere Kostenlose Bücher