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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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ich es getan hatte? Ich hatte dafür gesorgt, dass Jan ein paar Jahre mit mir zusammen war, bis er - wie er es sagte - mit Olivia die < reifere, tiefere, vorbestimmte Liebe > gefunden hatte. Er hätte sie viel früher gefunden, wenn ich nicht dazwischengekommen wäre. War ich im ewigen Kreislauf der Liebe nur die Kreislaufstörung?
    Ja, ich glaube, das war es: Es gibt die wahre Liebe zwischen zwei Seelen. Sie geht durch die Jahrtausende. Und sie ist vorbestimmt. Und ich sollte ihr gefälligst nicht in die Quere kommen. Ich hatte meine Lehre in der Vergangenheit gelernt. Eine höllisch schmerzende Lehre.
    Jetzt, so dachte ich, müsste ich eigentlich jeden Augenblick im Zirkuswagen wieder aufwachen.
    Ich tat es aber nicht.
    Ich wartete. Und wartete. Und wartete. Aber ich erwachte immer noch nicht. Ich richtete mich auf, beugte mich aus dem offenen Fenster der fahrenden Kutsche, blickte gen Himmel und rief verzweifelt nach oben: «Ich hab's kapiert! Mission erfüllt!»
    Dabei fiel mir ein, dass George W. Bush beim Irak-Krieg auch mal verkündet hatte, er hätte die < Mission erfüllt>.
     
    Der Geist war nicht nur unhöflich, er war auch so verwirrt wie ein kastrierter Hund, der eine Kastanie begattet.
     
    Ich hatte keine Ahnung, zu wem ich da eigentlich rief. Zu Gott? Er hatte doch sicherlich die ganze Idee mit den Seelen gehabt. Sich also auch gewiss das mit der Liebe ausgedacht. Wer sollte es denn sonst gewesen sein? Oder waren Seelen einfach etwas, was ohne eine höhere Macht entstanden war? Durch Evolution? Ein simpler Bestandteil der Natur? Und welche Seelen füreinander bestimmt waren und welche nicht, das hatte dann nicht etwa was mit einem göttlichen Wesen zu tun, sondern mit Biologie. Einer Biologie, die wir Menschen einfach nur noch nicht kannten, geschweige denn verstanden. Wenn jedoch die Evolution die Seelen hervorgebracht hatte, dann musste ich auch nicht in Richtung Himmel zu einem Gott rufen. Anscheinend sollte meine Seele etwas anderes lernen. Doch was konnte das sein? Was sollte ich über diese beknackte wahre Liebe erfahren?
     

23
    Ich musste diesen Geist dringend loswerden. Nicht auszudenken, wenn meine Kinder auf ihn treffen würden. Sie wären für ihr Leben geschädigt. Noch mehr, als sie es ohnehin schon durch ihre Mutter sind.
    Doch wie sollte ich mich dieses Geistes entledigen? Während ich über diese Frage nachdachte, stellte ich fest, dass ich sehr müde war. Von einem Geist besessen zu sein, mit ihm zu sprechen, ihm ausgeliefert zu sein, kostete mich eine geradezu herkuleshafte Kraft. Meine Gedanken wurden schwerer, dennoch kam mir - kurz vor dem Wegdämmern - eine Lösung für mein Dilemma in den Sinn: Der einzige Mensch, der mich aus diesem Albtraum befreien konnte, war der große Alchemist John Dee, ein Mann, der sich mit den Geheimnissen der schwarzen Magie sogar noch besser auskannte als mein Freund Kempe mit den Londoner Huren. Dieser Alchemist hatte schon viele Wunder vollbracht: Er hatte Unfruchtbare fruchtbar gemacht, Fruchtbare unfruchtbar und angeblich sogar eine Pille erfunden, die den Geschlechtsverkehr alter Männer wieder in Schwung brachte. Allein mit dieser Erfindung hätte er wohl mehr Gold anhäufen können, als in der Staatskasse Englands lag. Aus irgendeinem obskuren Grunde jedoch interessierte er sich nicht dafür. Das Einzige - so sagt man -, was ihn noch interessierte, waren die fernen asiatischen Länder: deren Religionen, Sitten und Gebräuche. Wenn er sich für die asiatischen Frauen interessierte, hätte ich das begreifen können. Seine Vorlieben waren jedoch einerlei, er würde mir helfen können. Die Schwierigkeit war nur: Wie sollte ich den Geist dazu bringen, zu dem Alchemisten zu gehen? Und während ich mit letzter Kraft über diese Frage nachgrübelte, verlor ich endgültig das Bewusstsein.
     
    Aus der Kutsche heraus betrachtete ich das turbulente Londoner Leben. Die Händler, die Passanten, die Kinder, die in zerrissenen Hemden auf den Straßen herumliefen, sie alle waren lauter als die Menschen in unserer Zeit. Sie schimpften lauter, sie redeten lauter, sie lachten lauter ... sie waren einfach viel lebendiger. Gegen sie wirkten die Menschen unserer Zeit wie sediert. Hätten diese Londoner nicht so schlechte Zähne gehabt, man hätte fast neidisch auf ihre Lebensenergie sein können.
    Dabei hatten diese Menschen sicher mehr Existenzschwierigkeiten und Probleme als wir in unserer Zeit. Klar, wir hatten es auch schwer mit Jobangst, Globalisierung oder

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