Poison (German Edition)
allem stilecht.
»Hi, Shahin, hier ist Ricardo!« Oh. Stimmt, die waren ja neulich in Berlin.
»Wie geht’s dir?« – »Wir waren neulich im »Melrose Place« zum Auftritt, hast du meine SMS nicht bekommen?«, fragt Ricardo mich. »Doch, aber zu spät«, winde ich mich aus der Affäre.
»Es war bombastisch«, schwärmt Ricardo weiter, »und stell dir mal vor, wir haben heute Abend noch einen Gig hier in Berlin und spielen im »Barcelona«! Was für eine Chance für uns! Ach bitte, komm doch vorbei.«
Ich überlege. Barcelona, nie gehört. »Mal sehen«, antworte ich unverbindlich, »je nachdem, wie mein Freund Zeit hat, okay?« Ricardo pfeift durch die Zähne. »Na, dann wünsch ich euch viel Spaß, wenn’s nichts wird mit dem Vorbeikommen«, meint er doppeldeutig. »Ciao, bis bald.« Dann legt er auf, und ich überlege, ob wir wirklich hingehen sollen.
Mhm, ich werde Brix natürlich fragen, ob er Lust hat. Da wir gerade bei mir sind, liegt er auf meiner Terrasse in der Frühlingssonne und döst.
»Kennst du das »Barcelona«?«, frage ich ihn, während ich mich auf den anderen Liegestuhl fläze. »Mhm«, brummelt Brix, »was willst du denn da?« – »Ach, mich hat grad ein alter Bekannter angerufen, der mir erzählt hat, dass seine Band heute Abend da spielt, und wir sind eingeladen.«
Brix stutzt, ist auf einmal hellwach, setzt sich auf. »Das »Barcelona« ist ein Privatclub, der meinem Label gehört. Da spielen normalerweise die Newcomerbands oder diejenigen, die mein Label gerne unter Vertrag nehmen würde. Wie gut sind denn deine Bekannten?«
Ich überlege einen Moment. »Erstens sind es nicht meine Bekannten, und zweitens – als ich sie das letzte Mal gehört habe, waren sie ziemlich beschissen, um ehrlich zu sein.«
Brix grinst sich eins. »Wir sollten hingehen, findest du nicht auch? Schon alleine, weil ich meinen Ex-Chef ärgern möchte.«
Verlockender Gedanke, falls Carlos wirklich da sein sollte, kann ich mit ihm mal unauffällig über Brix sprechen. Oder auch nicht, falls meine Intuition recht hat, und es Ärger geben könnte. Der Rückruf bei Ricardo klingt wie eine Formsache, ist aber gut so, denn wir lassen uns auf die Gästeliste setzen, damit wir auf jeden Fall reinkommen, und kein Türsteher Brix abweisen kann, ohne größeres Aufsehen zu verursachen.
Als wir da sind, wissen wir, dass es gut war, denn natürlich weiß der Türsteher vom »Barcelona«, dass Brix da nicht mehr arbeitet, und will ihn nicht reinlassen. Der Hinweis auf die Gästeliste sorgt zwar für ungeduldiges Murren an der Tür, aber man lässt uns dann doch hinein, wo wir uns an der Bar niederlassen und ein Bier bestellen. Jeder eins, versteht sich, denn ein bisschen Alkohol vertrage ich ja, und ein oder zwei Bier sind da locker drin. Und wie ich mich so schön mit dem Rücken gegen die Theke lehne und dem Kommenden harre, höre ich von rechts eine Stimme.
»Das darf doch nicht ... das ist doch nicht ... Shahin???«
Jetzt fällt es mir erst auf, dass ich anscheinend gemeint bin. Die Frau, die mit einem Ordner in der Hand zwei Meter neben mir steht und mich anschaut, als käme ich direkt vom Mond, kenne ich – aber nicht aus Berlin, sondern aus dem Poison’s. Für einen Moment muss ich ziemlich fassungslos ausgesehen haben.
»Yvonne?« Ich reiße meine Augen auf, gleite vom Barhocker und laufe auf sie zu.
»Hi, Shahin«, grüßt sie mich überschwänglich. »Was machst du denn hier, Schatz?« – »Ich wohne in Berlin, seit Peter tot ist.« Meine Miene verdüstert sich, als ich an meinen besten Freund denke, der vor einem Dreivierteljahr gestorben ist, ich erwähnte es bereits, glaube ich.
»Schatz«, Yvonne nimmt mich in den Arm, »Da, wo er jetzt ist, hat er es besser, bestimmt. Aber das ist ja toll, dass ich dich hier treffe. Jonas ist auch hier, den kennst du doch auch noch, oder?«
Jonas? Ach ja, Jonas, der kleine Hausmeister, der immer an der Ton- und Lichtanlage herumgebastelt hat. Wenn ich an ihn denke, muss ich lächeln. Jonas, der Kleine mit der großen Stimme. Einen Meter sechzig ist er groß. Und er hat eine Stimme, so tief wie die von Ivan Rebroff, zumal er auch nicht besonders leise ist. Deswegen hat Peter Jonas auch immer die Moderationen machen lassen, was die Animateure und Showtänzer immer größer hat aussehen lassen, als sie meist waren. Jonas und Yvonne, die Bürochefin und Buchhalterin von Peter. Ich fass’ es nicht ...
»Yvonne, und das ist Brix, mein Mann«, stelle ich ihr Brix vor,
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