Poison (German Edition)
sieht, schüttelt den Kopf, kommt mit schmerzhaft verzogenem Gesicht zur Küche, nimmt sich wortlos einen Becher Kaffee, zieht zwei, drei Schubladen auf, wühlt darin und schaut leicht frustriert, als ich ihm wortlos ein Glas Wasser und zwei Aspirin reiche, schluckt diese aber brav und spült erst mit dem Wasser, dann mit dem Kaffee nach. Dann geht er zum Sofa, setzt sich demonstrativ drauf, lehnt sich nach hinten, mit dem Kopf gegen die Lehne, und schließt die Augen, ganz so, als wollte er warten, bis der Schmerz nachlässt. Das hat er nun davon, und ich verspüre eigentlich absolut kein Mitleid mit ihm. Absolut keines? Nun ja, zumindest nicht in den ersten zehn Minuten. Länger halte ich es allerdings nicht wirklich aus, sondern stelle mich hinter ihn und beginne, sanft seinen Nacken und seine Schläfen zu massieren, bis der Schmerz nachlässt. Ihm zuliebe verkneife ich mir sogar jeglichen Kommentar, was er mit einem gequälten Lächeln quittiert. Armes Hasi.
Gegen vier sind wir auf dem Weg zum Hauptbahnhof, um den bestellten Wagen abzuholen. Wir übernehmen einen Audi A6 Kombi und sind schon bald auf dem Weg in Richtung Hessisches Bergland. Als die Sonne untergeht, haben wir noch eine knappe Stunde bis Frankfurt zu fahren. Kurz nach elf Uhr abends erreichen wir das Frankfurter Nordwestkreuz, und von da sind es nur ein paar Minuten ins Dorint-Hotel im Main-Taunus-Zentrum.
Wir checken ein, belegen die Junior-Suite, die man uns netterweise anstelle eines Doppelzimmers überlässt, packen unser Gepäck in die Schränke, die es dort gibt, duschen, ziehen uns um und fahren nach Frankfurt in die Szene, die ich viel zu gut kenne. Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache, denn es fällt mir immer noch schwer, mich hier völlig unbefangen zu bewegen. Das ist auch der Grund, weshalb ich die bekanntesten Szeneläden wie den »Schweijk«, das »Pulse« und den »Angel« lieber nicht besuche ... zu groß erscheint mir das Risiko, dort irgendwelche Bekannten zu treffen. Da ist mir dann doch die gefürchtetste, verschrienste Schwulenbar, lieber. Also führe ich Brix ins »Treibhaus«, einer rustikal eingerichteten Kneipe, die nach ihrer Philosophie die »Bar für jeden Schwulen« ist, und wo ich selbst in meiner Frankfurter Zeit Schwule aller Schichten getroffen habe, vom Industriekapitän über den Bankdirektor bis hin zum einfachen Stricher ... aber alle sitzen hier einvernehmlich nebeneinander und lassen sich von Biggi, dem Wirt und Dierk, einem gelernten Koch und Thekenschlampe aus Passion, verwöhnen und umsorgen. Wie erwartet und erhofft, kennt mich hier außer Biggi keiner, und so können wir ganz locker an der Theke Platz nehmen und uns eine Spezialität schmecken lassen, die es nur hier gibt, und die für mich in den vergangenen Jahren immer der Hauptgrund meiner Anwesenheit hier gewesen ist: Hier wird das »Krusovice« ausgeschenkt, ein helles Bier aus der Tschechei, das sehr würzig schmeckt, obwohl es eher leicht ist.
Und hier muss Brix mich auch nicht überzeugen, ich trinke freiwillig eins, bevor ich mich auf Kaffee und Mineralwasser beschränke ... schließlich muss ich noch Auto fahren. Die Musik ist gut, und so dauert es nicht lange, bis ich mit Brix in der kleinen Kneipe zu tanzen beginne, erst seriös und verhalten, dann etwas näher aneinander, und schließlich, mit steigender Stimmung und höherem Alkoholpegel meines Mannes, heißer und enger denn je. Wir ziehen uns gegenseitig die Shirts vom Kopf, fahren mit unseren Händen unsere Körper entlang, und küssen uns tief und innig, während alle Gäste – das Lokal ist wie üblich beinahe voll – uns zuschauen. Allerdings ist dies nur Show, das merke ich Brix’ Bewegungen an, und ich beherrsche die Kunst, meinen Körper zu präsentieren, perfekt. So beginne ich mit einem Bauch- und Bodentanz, der meinen Körper und die Muskeln fast optimal zur Geltung bringt, und versuche, Brix mit einzubeziehen, was allerdings mangels Übung nur zu einem Viertel gelingt. Klar, dass die Frankfurter begeistert sind – und zum Glück, es ist wirklich kein bekanntes Gesicht unter ihnen. Es ist fast halb drei, als wir uns endlich auf den Rückweg zum Hotel machen.
88
Brix
»Spreiz’ deine Beine noch ein wenig«, raunt Shahin mir zu. Ich liege fast entspannt auf dem Bauch, das Kissen des Hotelbettes unter meiner Brust, und harre den ersten Vorbereitungen; Shahin plant, mein »erstes Mal« als Bottom zeremoniell zu gestalten. Seit wir wieder im Hotel sind, also seit
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