Poison (German Edition)
Kontakt zu anderen ist. Also verabschiede ich mich bedauernd, und der Reisebüro-Typ – »Daniel« steht auf seinem Namensschildchen – bringt mich sogar noch zur Tür und öffnet mir diese – ganz bestimmt nicht sein »normaler« Service.
Und da steht ER. Ausgerechnet. Ganz ruhig, nicht aufregen. Durchatmen. Eins, zwei, drei, okay.
»Was willst du?«, frage ich ihn, ganz ruhig, fast schon sachlich, und vor allem ohne zur Schau gestellte Emotion. Hinter mir steht der Reisebüro-Typ und stutzt. Man kann seine gespitzten Ohren förmlich sehen. Okay, biegen wir zunächst die Situation ab, vielleicht will er ja bloß verreisen und ich komm’ hier ohne Stress weg.
»Ciao, schöner Mann«, säuselt der Touri-Gay. »Schade, dass ich dir nicht helfen konnte.« Zuckersüße Stimme, die vor Neid nur so trieft. »Tschüss«, sage ich und weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, »Schade, aber kein Problem.« Mit diesen Worten drehe ich mich seitwärts und will die Treppe hinuntergehen, vorbei an IHM, diesem Typen, der mir langsam Angst macht. Ich meine, klar, er hat auch Ängste. Jeder hat sie. Aber die Tatsache, dass ich ihm plötzlich jeden Tag mindestens einmal über den Weg laufe, verwirrt mich dann doch. Warum hab’ ich ihn vor dem letzten Freitag nie gesehen, wenn er doch anscheinend die gleichen Lokale frequentiert wie ich, an den gleichen Stellen einkauft, die gleichen Wege geht und auch noch in der Nähe wohnt.
»Fahrscheinkontrolleur, geh mir aus dem Weg!«, grummele ich ihm zu, damit er auch meine Verachtung deutlich zu spüren bekommt, zu frisch ist noch die Erinnerung an den Alten von gestern, der meine hundert Euro nur zu gern in die eigene Tasche gesteckt hätte. Klar, ich kenn’ die Tricks. Ich hab’ nämlich früher mal bei der Heidelberger Straßenbahn AG gearbeitet, während meiner Studienzeit, am Anfang. Hab’ den Straßenbahnschein gemacht, und bin die Dinger dann auch gefahren, wie viele Studis in der Gegend. Als die Dienste allerdings brutal mit meinem Vorlesungsplan kollidiert sind, habe ich das Handtuch geworfen. Und daher kenne ich diese Spielchen. Ist doch ganz einfach: Verunsichere deinen »Kunden«, nimm ihm ab, was er hat, schlepp ihn zur Polizei, lass ihn da rundmachen und besorg dir seine Personalien. Dann schreibst du ihm ne Zahlungsaufforderung über vierzig Euro und schickst ihn heim. Der ist garantiert so verängstigt, dass er vergisst, dass du schon Geld von ihm genommen hast. Funktioniert immer, wenn du dir den richtigen Typ Mensch dafür ausschaust. Diese Masche war jedoch nie mein Stil, ich verabscheue so etwas.
So, mein Spruch hat gesessen, ER weicht ein Stück zurück, und während ich noch meinen kurzen Sieg genieße, merke ich, dass es wirklich nur ein kurzer Sieg ist – er packt mich unsanft am Arm, zieht mich von der Tür des Reisebüros weg und drückt mich gegen die Hauswand.
»Hey, Moment mal, was soll das?«, sage ich überrascht, denn damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.
»Ich muss mit dir reden, komm mit!«, fordert er mich auf. Ich schaue mich um, mache mir ein Bild vom Umfeld. Aus den Augenwinkeln sehe ich Marianne, wie sie aufschaut, uns beobachtet, und im Handschuhfach zu kramen beginnt.
Der Reisebüro-Typ starrt uns an und fragt scheinheilig: »Alles in Ordnung?«
Und ER? Er knurrt ihn an: »Halt dich aus unseren Angelegenheiten raus.«
Unsere Angelegenheiten? Ich wüsste nicht, welche Angelegenheiten mich mit einem Fahrscheinkontrolleur verbinden – bis auf die unausweichliche Tatsache, dass ich diesem Kontrolleur seinen schönen Schwanz geblasen habe und nun andauernd an ihn denken muss. Und der Reisebüro-Typ zieht doch tatsächlich den Schwanz ein, sagt »ciao dann« und macht seine Tür hinter sich zu.
Marianne schnallt sich gerade los und steigt aus – das ist meine Gelegenheit. Mein »Traumtyp« dreht sich wieder zu mir und manövriert mich in die Defensivposition, indem er mich durch die geringe Distanz meines Körpers zu seinem gegen die Hauswand zurückweichen lässt. Ich bereite schon einen Handkantenschlag vor, als er mich einen kleinen Tick zu aggressiv für die Situation anfaucht: »So, jetzt hör mir gut zu, Condom-Boy.«
Ich? Condom-Boy?
»Ich hab’ einen Namen«, denke ich bei mir, nutze aber die Chance, neben ihm wegzutauchen, an ihm vorbei ins Taxi zu huschen und die Tür hinter mir zuzuschlagen. Marianne aktiviert die Zentralverriegelung, so dass ich drinnen sicher bin und ER draußen steht. Auf seinem Gesicht zeichnet
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