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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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weitere Entfernungen als trockene Luft. Und der Nebel dämpfte entgegen landläufiger Meinung Geräusche nicht, sondern verstärkte sie noch. Wenn das Eis also einen Riß bekommen hatte, dann war der vermutlich ziemlich weit weg.
    Ich wünschte, dachte er, die Kompaßnadel würde aufhören, so unkontrolliert auszuschlagen. Wie viele Minuten war er schon gegangen? Der Uhr nach nicht mehr als zwanzig. Wie verläßlich wohl die Qualitätskontrollen der Japaner sein mochten. Von der Eagle war noch nichts zu sehen, aber als er sich noch einmal umblickte, erkannte er am äußersten Rand seines Blickfeldes eine Gestalt, die ihm folgte - schemenhaft wie ein Gespenst.
    Eine graugemaserte Eisader gab unter seinen Füßen nach. Er bewegte sich seitwärts aufs weißer schimmernde Eis zu und kontrollierte abermals den Kompaßstand. In der Regel brach das Eis auf einer Südwest-Nordost-Achse, und das wäre für ihn nicht die richtige Richtung. Arkadi war jetzt auf der Hut. Das Wesen hinter ihm kam stetig und mit federnden Schritten näher, wie ein Bär, aber es ging aufrecht und war schwarz.
    Inzwischen wußte Arkadi, daß er sich verirrt hatte. Entweder hatte er, ohne es zu merken, einen Haken geschlagen, oder er hatte die Entfernung der Eagle unterschätzt. Der Nebel geriet in Wallung und driftete von links nach rechts. Zum erstenmal bemerkte er die Seitwärtsbewegung der Eisdecke, die er für so stabil gehalten hatte. Vielleicht hatte dieser Sog ihn schon die ganze Zeit irregeführt. Die Nebelwolke trieb gleichfalls vorwärts und hüllte ihn ein. Hinter ihm, jetzt nur noch hundert Meter weit entfernt, hatte sein Verfolger Beine, Arme, Kopf und einen Bart bekommen. Martschuk. Skiba und Slesko waren gewiß unverzüglich zum Kapitän gelaufen, und es war typisch für einen Sibirier wie Martschuk, daß er allein die Verfolgung aufgenommen hatte. Nach nur wenigen Schritten hatte der Nebel Arkadi verschluckt, und Martschuk war seinen Blicken entschwunden.
    Der Kapitän hatte ihn nicht angerufen. Worauf es Arkadi jetzt ankam war, die Eagle zu erreichen, ehe Martschuk ihn einholte und auf die Polar Star zurückschickte. Sie konnten gemeinsam an Bord des Trawlers gehen, solange Arkadi nur die Möglichkeit bekam, sich dort umzusehen. Ja, es war sogar sicherer, zu zweit aufzutreten, da Ridley und Coletti mit Karp unter einer Decke steckten. Morgan war vermutlich nicht mit im Komplott, obgleich kein Kapitän völlig ahnungslos sein konnte, was die Vorgänge auf seinem eigenen Schiff betraf.
    Obwohl er blind durch den Nebel lief, sah Arkadi vor seinem geistigen Auge Fußstapfen, die geradliniger als ein Pfeil übers Eis auf die Eagle zuführten. Dieses innere Bild hatte eine Folgerichtigkeit, ja einen geradezu magnetischen Sinn - immer vorausgesetzt, daß er den Trawler nicht bereits verfehlt hatte und auf den Polarkreis zusteuerte.
    Wieder hörte er das Knacken und Knirschen, diesmal schon deutlicher. Aber es war nicht das Geräusch berstenden Eises, sondern das von Hammerschlägen, die aufs Eis niedergingen, gefolgt von einem Echo, das klang wie splitterndes Glas. Unwillkürlich wandte Arkadi suchend den Kopf, als könnte er den Ursprung der Klänge ausmachen. Geräusche im Nebel konnten einen täuschen, da sie näher wirkten, als sie tatsächlich waren, und er widerstand der Versuchung, loszurennen, da er zu leicht in die falsche Richtung hätte gelenkt werden können. Inzwischen trieb der Nebel über ihn hinweg wie Brandungswogen, die ihn fortzutragen suchten. Wieviel Mut gehört wohl dazu, dachte er, in solch kaltem Wasser nur ein paar Stöße weit zu schwimmen? Er hatte selbst mitangesehen, wie Männer über Bord eines Trawlers gespült wurden und fast auf der Stelle einen Schlag erlitten, so daß jede Rettung zu spät kam.
    Plötzlich drang das Hämmern laut und deutlich an sein Ohr. Die Eagle tauchte nicht mehr als zehn Meter vor ihm auf, vom Eis hochgepreßt und seitwärts geneigt. Die Nebelwolken, die über das Schiff hinfegten, erweckten den Anschein, als schösse der Trawler in rasendem Tempo durch stürmisches Gewässer.
    Die Polar Star, die sich und dem nachfolgenden Fangboot den Weg gebahnt hatte, war im frischen Eis festgefroren. Die Eagle dagegen saß in den salzigen Wirbeln des Kielwassers fest, das sich in eine graue Eisdecke verwandelt und zu grotesken Stalagmiten aufgetürmt hatte, die sich, als die Temperatur weiter sank, mit glasigem Schimmer überzogen. Kaskadenartig schienen sich Eisströme die Ruderhaustreppe

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