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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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hierhergebracht hätten, würde es Irina nicht gutgehen. Der KGB tat nichts lieber, als einen Überläufer abzuschreiben - entweder als »wieder ein Emigrant, der als Tellerwäscher endet«, oder: »Der Westen war letztlich doch kein so feudales Lager, nicht einmal für eine Hure«, oder: »Sie haben sie ausgequetscht wie eine Zitrone und anschließend wieder vor die Tür gesetzt, und jetzt möchte sie zurück, aber natürlich ist es dafür nun zu spät.« Wenn sie wissen wollten, ob er versuchte, mit ihr Verbindung aufzunehmen, so gab das seiner Hoffnung neue Nahrung: Versuchte sie etwa, ihn zu kontaktieren?
    Um Irina zu schützen, änderte er seine Strategie. Er wollte nichts ausplaudern, nicht einmal, wenn er einen absoluten Tiefpunkt erreichte, also dachte er so wenig wie möglich an sie, ja, er versuchte, sie aus seinem Gedächtnis zu verbannen. In gewissem Sinne schufen die Ärzte die Schizophrenie, die sie prophezeit hatten. Auch wenn er sich damit Mut machte, daß Irina davongekommen war, versuchte er doch gleichzeitig ihr Bild in seinem Innern zu löschen, es auszumerzen.
    Außer dem Bademantel hatte Arkadi einen grünen Emaillekrug, ideal für einen wie ihn, etwas, das man nicht verschlukken, woran man sich weder schneiden noch aufhängen konnte. Manchmal stellte er den Krug direkt hinter die Tür, so daß die Ärzte ihn beim Eintreten umstießen. Dann ließ er es eine Woche lang sein, gerade lange genug, um das Personal ein klein wenig zu verunsichern. Eines Tages kamen sie im Pulk hereinmarschiert und holten den Krug fort.
    Diesmal benutzten sie Insulin. Insulin war der primitivste aller Tranquilizer; in seinem Fall führte er zum Koma.
    »Also, wir wollen Ihnen reinen Wein einschenken, sie ist verheiratet. Ja, diese Frau lebt nicht nur in dem Luxus, mit dem man Verräter dort drüben ködert, sondern sie lebt auch mit einem anderen Mann zusammen. Sie hat Sie vergessen.«
    »Er hört ja nicht mal zu.«
    »Der hört uns schon.«
    »Versuchen Sie’s mit Digitalis.«
    »Das könnte einen Schock auslösen, dann hätten wir gar nichts gewonnen.«
    »Sehen Sie sich doch bloß an, wie bleich er ist. Noch eine Minute länger, und er braucht eine Herzmassage.«
    »Der verstellt sich bloß. Renko, Sie simulieren.«
    »Er ist weiß wie ein Laken. So was schafft kein Simulant.«
    »Scheiße.«
    »Fackeln Sie nicht lange, sondern geben Sie ihm die Injektion.«
    »Schon gut, schon gut. Mist, verdammter.«
    »Sehen Sie sich doch bloß seine Augen an.«
    »Ich geb’s ihm ja schon.«
    »Einer wie der bringt es fertig und kratzt Ihnen unter den Händen weg ab, das sag ich Ihnen.«
    »Scheißkerl, verdammter.«
    »Immer noch kein Puls.«
    »Morgen ist er wieder auf dem Posten. Dann fangen wir noch mal von vorne an. So, das wär’s.«
    »Noch immer kein Puls.«
    »Morgen wird der reden wie ein Papagei. Sie werden schon sehen.«
    »Kein Puls.«
    »Ich glaube immer noch, daß er simuliert.«
    »Ich glaube, er ist tot.«
     
    Nein, bloß weggetaucht ins Labyrinth der Dunkelheit.
    »Nur halb hinüber«, urteilte der Besucher. Seine fleischige Nase zog sich zusammen, als er den beißenden Geruch in der Isolierzelle einatmete. »Ich bringe dich in ein anderes Quartier, Genosse, in eins, das ein bißchen spartanischer ist als dieser Kurort.«
    Die Stimme kam ihm bekannt vor, und Arkadi versuchte, seinen Blick auf einen massigen, slawischen Schädel mit Schweinsäuglein und Hängebacken zu konzentrieren, der halslos aus der braun-roten Uniform mit dem KGB-Abzeichen hervorzuquellen schien.
    »Major Pribluda?«
    »Oberst Pribluda.« Der Besucher deutete auf seine neuen Epauletten, dann warf er der herbeieilenden Pflegerin eine Papiertüte zu. »Ziehen Sie ihn an.«
    Es war immer wieder erfrischend mitanzusehen, welchen Effekt so ein Rohling haben konnte, wenn er nur die richtige Uniform trug, selbst auf die Götter in Weiß. Arkadi hatte geglaubt, er sei endgültig verloren, wie eine Larve in einem Bienenschwarm, doch Pribluda brauchte nur ganze zehn Minuten, um ihn aus der Klinik und hinaus auf die Straße zu schaffen. Da stand er nun, in Hosen und einem Mantel, die ihm beide mindestens zwei Nummern zu groß waren, aber er war draußen in der schneeklaren Luft, die ihn frösteln ließ, bis Pribluda ihn verächtlich in einen Wagen schubste.
    Es war ein arg verbeulter Moskwitsch ohne Scheibenwischer und ohne Rückspiegel, kein Wolga mit offiziellem Nummernschild. Pribluda setzte eilig aus der Parklücke, wobei er durchs offene

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