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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Auffallend hübsch sogar, im Unterschied zu dem blauen Trainingsanzug.
    »Sie brauchen auch niemanden zu bespitzeln, lediglich Fragen zu stellen. Und später berichten Sie mir, was Sie erfahren haben.«
    »Ich weiß nicht recht.«
    »Der Kapitän möchte rauskriegen, was mit Sina geschehen ist, bevor wir Dutch Harbor anlaufen. Der Erste Maat meint, wir sollten den Landurlaub für alle streichen.«
    »Dieser Schuft! Wolowoi rührt keinen Finger, außer um den Filmprojektor zu bedienen. Und wir haben vier Monate lang Fische ausgenommen.«
    »Sie haben nur noch eine Schicht in der Fabrik. Und die können Sie ausfallen lassen. Wenn Sie mit mir zusammenarbeiten.«
    Natascha musterte Arkadi, als sähe sie ihn zum erstenmal.
    »Und das wäre keine antisowjetische Agitation?«
    »Alles geht streng nach Leninistischen Normen«, versicherte er.
    Ein letztes Mal zögerte sie. »Und Sie wollen wirklich mich?«
    Arkadi stand im Kranführerhaus und genoß die Aussicht: Auf den Oberdecks stapelten sich Netze und Planken, wie Schattenrisse ragten die gelben Ladegeschirre aus dem Nebel auf, Möwen wiegten sich im Wind. Vor ihm, auf dem Vorderdeck, spannten sich zwischen den Ladebäumen gleich einem Spinnennetz die Drahtantennen zum Langwellenempfang. Eine Phalanx von Dipol-Rutenantennen für Kurzwellenverkehr reckte sich der Brise entgegen. Zwei ineinandergreifende Signalkreise dienten dem Peilfunk, die sternförmigen Antennen weiter oben dem Orten von Satelliten. Allem Anschein zum Trotz war die Polar Star nicht allein.
    »Und Bukowski ist einverstanden damit, daß ich Ihre Assistentin werde?« fragte Natascha.
    »Er wird sich schon an den Gedanken gewöhnen.« Arkadi war bester Laune, denn das Buch, das Susan ihm geschenkt hatte, war von Mandelstam, einem wunderbaren Dichter, weltläufig, geheimnisvoll und vermutlich absolut nicht nach Nataschas sozialistischem Geschmack. Zwar war es nur eine Briefsammlung, aber Arkadi hatte das Bändchen bereits so behutsam unter seiner Matratze versteckt, als wäre es aus Blattgold.
    »Da kommt er«, rief Natascha.
    Tatsächlich! Der Dritte Maat flog förmlich übers Vorderdeck, vorbei an einer Gruppe von Mechanikern, die lustlos einen Volleyball übers Netz schlugen.
    »Er sieht aber gar nicht glücklich aus«, setzte Natascha besorgt hinzu.
    Slawa verschwand unter Deck, und Arkadi glaubte, das Echo seiner Reeboks zu hören, während der Dritte Maat die drei Treppen zu ihnen hinaufgerannt kam. In wahrhaft olympischem Tempo erschien er wieder auf dem Oberdeck und zwängte sich zu den beiden ins Kranführerhaus. »Was höre ich da von einer neuen Assistentin?« Slawa rang nach Atem. »Und wie kommen Sie dazu, mich rufen zu lassen? Wer leitet hier die Ermittlungen?«
    »Sie natürlich«, sagte Arkadi. »Ich dachte nur, hier oben hätten wir ein bißchen frische Luft und wären außerdem ungestört. Beides zusammen bekommt man auf diesem Schiff nur selten geboten.«
    Ein verschwiegeneres Plätzchen als das Kranführerhaus ließ sich wirklich kaum denken, denn die zerbrochenen Fensterscheiben, die mit Dichtungsplatten und Bolzen gekittet waren, wölbten sich so schräg nach innen, daß man wohl oder übel zusammenrücken mußte, wenn mehr als eine Person in der Kanzel Platz finden sollte. Trotzdem war die Aussicht unübertrefflich.
    Natascha sagte: »Genosse Renko meint, ich könnte ihm nützlich sein.«
    »Der Elektroingenieur und der Kapitän haben die Genossin Tschaikowskaia bereits freigestellt«, sagte Arkadi. »Aber da Sie diesen Fall leiten, hielt ich es für meine Pflicht, Sie ebenfalls zu informieren. Und dann wollte ich Ihnen noch sagen, daß ich eine Liste von Sinas persönlichen Dingen zusammengestellt habe.«
    »Das ist doch längst erledigt«, knurrte Slawa. »Wir haben ihre Kleider durchgesehen, der Arzt hat die Leiche untersucht. Warum suchen Sie also nicht nach einem Abschiedsbrief?«
    »Opfer hinterlassen selten Abschiedsbriefe. Es würde sehr verdächtig wirken, wenn wir gleich auf so etwas stießen.«
    Natascha lachte und räusperte sich dann. Da sie die Hälfte des Platzes in der engen Kabine einnahm, konnte man von ihr kaum Feinsinnigkeit erwarten.
    »Und was wird Ihre Aufgabe sein?« Slawa funkelte sie an. »Ich soll Informationen beschaffen.«
    Slawa stieß ein bitteres Lachen aus. »Na großartig! Das heißt also, es wird noch mehr Dreck aufgewühlt. Ich begreife es einfach nicht. Meine allererste Fahrt als Offizier, und schon machen Sie mich zum Gewerkschaftsvertreter. Was

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