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Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Henry
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noch viel mehr auf die Nerven gehen, Baby. Brav. Jetzt hast du alles aufgegessen. Hier.“ Ehe sie etwas sagen konnte, schob er noch zwei Pastillen zwischen ihre Lippen. Dann packte er sie unter den Achseln und half ihr beim Aufstehen. „Können wir uns darauf einigen, dass ich kein ahnungsloser Idiot bin und du auch mal auf mich hörst? Es würde deine Überlebenschancen deutlich erhöhen.“
    „Und deine?“ Sie suchte am Boden nach ihrem Rucksack, aber den hielt er bereits in der Hand und außerhalb ihrer Reichweite. Sie atmete tief durch.
    „Mach dir um mich keine Sorgen“, sagte er und griff nach ihrem Ellenbogen, um ihr auf den ersten Schritten zu helfen.
    „Mach ich aber“, grummelte sie.
    Er zog es vor, nicht nachzufragen, doch diese drei Worte waren seit Langem das Schönste, was er jemals aus dem Mund einer Frau gehört hatte. Er musste verdammt tief in Erinnerungen wühlen, um eine Zeit und einen Ort zu finden, an dem eine Frau das zum letzten Mal zu ihm gesagt hatte.
    „Silas“, sagte sie, als ihre Schritte sicherer wurden. „Tust du mir einen Gefallen?“
    „Kommt drauf an. Willst du doch lieber die Riegel mit Schokolade haben?“
    Sie lachte leise. „Ziehst du die Hose aus Eisbärenfell an, die ich im Rucksack habe? Und den Anorak dazu?“
    Silas Greve in einem zotteligen Eisbärenfell und Robbenleder? Es gab Dinge, die erforderten auf eine ganz neue Art und Weise Mut. „Das sind Geschenke.“
    „Wenn du hier erfrierst, erfriere ich auch. Wenn sie hier verrotten, nützen die Geschenke keinem mehr.“
     
    *
     
    Wie lange sie geschlafen hatte, konnte Kaya nicht sagen, als sie von einem Rascheln geweckt wurde. Nur zögerlich wollten sich ihre Lider öffnen. Es war so kalt. Hatte sie vergessen, den Heizlüfter hochzustellen?
    „Scheiß Mistzeug.“ Silas’ unterdrückter Fluch bohrte sich in ihren Kopf und riss all die Dämme ein, die Erschöpfung und Müdigkeit dort errichtet hatten. Schlagartig kehrte die Erinnerung zurück. Der Flug. Der Absturz. Das Kalben des Gletschers und der Verlust des Helis. Ihr Marsch durch das Eis. Schließlich ihr Zusammenbruch. Unwillkürlich kroch ein Ächzen über ihre Lippen. Lieber Himmel.
    „‘Tschuldigung.“
    Verwirrt blickte sie in Silas’ Richtung. Im Licht einer Taschenlampe hockte er an der höchsten Stelle des Zeltes. Dennoch musste er den Kopf einziehen und die Schultern nach vorn beugen, um nicht anzustoßen. In dieser offensichtlich unbequemen Position mühte er sich mit den Schnüren der Jagdhose, die eigentlich für Nives Bruder bestimmt gewesen war.
    „Wofür entschuldigst du dich?“
    „Meine Mum hat mir beigebracht, nicht in Gegenwart einer Lady zu fluchen. Aber das Mistding hier wehrt sich.“
    Wer hätte das gedacht? Allein die Erinnerung an die Frau Mama machte Silas zum Gentleman. Der Gedanke ließ sie schmunzeln. Obwohl sie es gut noch eine Weile in der relativen Wärme des Schlafsacks ausgehalten hätte, zog sie von innen den Reißverschluss hinab und kletterte aus der wärmenden Hülle.
    Sofort entdeckte sie das Problem. Anstatt das Lederband an der Vorderseite der Schutzhose durch die Öse am gegenüberliegenden Saum zu fädeln und dann erst weiter unten mit dem nächsten Band zu verbinden, hatte Silas versucht, die jeweils gegenüberliegenden Schnüre miteinander zu verknoten. Das Resultat war ein heilloses Durcheinander aus Lederfalten und Nähten, die sich kreuz und quer über seinen Oberschenkel spannten, bis hin zu der Stelle, wo … Sie schluckte. Ähm ja, genau. Also, bis genau dorthin. Tierisch unbequem sah das aus. In dieser Montur konnte er ganz bestimmt nicht Kilometer um Kilometer durchs Eis stapfen.
    „Lass mich mal.“
    Flink fanden ihre Finger ihr Ziel. Die falsch verknoteten Schnüre waren schnell gelöst. Sie machte sich daran, die Hose richtig zu schließen, als sie ein entferntes Brummen vernahm. Sie hielt in ihrer Arbeit inne und legte die Finger dort ab, wo sie gerade waren. Auf seiner nun fellgeschützten Hüfte.
    „Okay, ich hab’s begriffen. Du musst nicht …“
    „Pst!“
    „Was …?“
    „Hörst du das nicht?“, unterbrach sie ihn, den Zeigefinger auf den Lippen.
    Bevor er reagieren konnte, nahm sie ihn an der Hand und kroch zum Eingang des Zeltes. Darauf bedacht, so leise wie möglich zu sein, kauerte sie vor dem Zutritt und zog ihn langsam nach oben. Draußen war es Nacht. Trotzdem war es nicht dunkel. Myriaden von Sternen warfen ihr kaltes Licht auf den Schnee, ließen Wolkenschatten über

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