Polarfieber (German Edition)
müssen, an die du möchtest? “
Kaya zuckte mit den Schultern. „ Eine Stunde, vielleicht zwei. Ich habe die Sensoren noch im Herbst versenkt. Niemand kann genau voraussagen , in welche Richtung und wie weit sie das Eis treiben wird. “
„ Und was machen wir genau? “
Dafür, dass Jeremy angeblich ein ambitionierter Hobbygeologe war, war er mitunter doch recht schwer von Begriff . Sie verkniff sich ein Seufzen und setzte zu einer erneuten Erklärung an. „ Die Sens o ren sollen Auskunft darüber geben, ob es selbst in Landn ä he einen Zusammenhang gibt zwischen den Bohrungen von Gain und der Fließgeschwi n digkeit und -richtung des Meereises. Sie sind an einem Schwimmer befestigt und mit GPS ausgestattet. Der Schwi m mer friert ein und zeichnet sämtliche Bewegungen der Ei s strömung auf. Mithilfe dieses kleinen Gerät s “ , s ie hob ihren eigenen GPS-Empfänger in die Höhe , „ können wir die Sensoren finden und die ermittelten Daten auf einen Logger übe r tragen. Die Messwerte spiele ich dann im Labor in den Rechner und wir können uns die Str ö mungen in den verschiedenen Schemata a n sehen. “
Jeremy wirkte sichtlich beeindruckt, sagte aber kein Wort. Sie ha t ten den Anleger fast erreicht, da mussten die Hunde aus Ali g naks Gespann sie schon gewittert haben. Der Leithund warf als E rstes den Kopf in den Nacken und meldete jaulend ihre Ankunft dem Rest seines Rudels und dem Schlittenführer. Mondlicht ve r silberte sein weißes Fell, warf tanzende Schatten auf das Eis, auf dem er stand. Der Rest des Rudels fiel ein. Ein Bellen und Jaulen aus ta u send Schlünden, so klang es, dabei waren es doch nur zehn, die sie heute hinaus auf die zugefrorene Bucht fahren wü r den. Daneben stand der alte Jäger und winkte ihnen zu.
Jeremy verlangsamte seinen Schritt, dann blieb er stehen . Durch den Stoff ihrer Handschuhe fühlte Kaya, wie er sie am Handg e lenk packte und zu sich herumdrehte. „ Danke, Kaya “ , sagte er und sofort verzieh sie ihm den groben Griff. „ Das ist phänomenal. “
Kaya winkte Alignak zu , rief einen kurzen Gruß, dann sah sie J e remy in die Augen. „ Das ist mein Zuhause, Jeremy. Ve r stehst du jetzt, warum ich diese Arbeit machen muss? “
Er nickte, doch ob er wirklich verstand, wusste sie nicht.
*
„ Eines kann ich dir sagen. “ Die Stimme des Arztes, der Holger Be r thelsen hieß, klang blechern durch die Kopfhörer. Silas drehte ihm den Kopf zu. „ Gemessen an der Erfahrung im Frachtraum ist das hier der Himmel. “
Silas grinste und ließ den Hubschrauber einmal ordentlich durc h sacken, lenkte ihn in eine scharfe Rechtskurve und tief über den gefrorenen Inglefield Fjord hinweg. Die Scheinwerfer ließen Funken im Schnee aufstieben. Bert h elsen schnappte nach Luft, dann lachte er. „ Das habe ich so nicht g e meint. “
„ Ich weiß. “
„ Fliegst du schon lange? “
„ Ein paar Jahre. “
„ Militärpilot, ja? “
„ Woher weißt du das? “ Kurz streifte ihn die Ahnung, dass irgen d wer dem unbedarften Mediziner gesteckt hatte, zu welchem Monster er sich in den Chopper setzte.
„ Ich war ein paar Monate bei Ärzte ohne Grenzen in afrikan i schen Kriegsgebieten. Ich erkenne einen Militärpiloten, wenn ich einen sehe. Dänische Luftwaffe? “
„ Royal Air Force. “
Berthelsen schnalzte mit der Zunge. „ Für einen Briten sprichst du ein bemerkenswert gutes Dänisch. Schon lange in Grönland? “
Silas sprach nie gern über sich . Was ging es diesen Mann an, den er seit gefühlten zwei Minuten kannte, wer er war? „ Seit drei Jahren. Auf der Suche nach einer Auszeit, nachdem in Afghani s tan das … äh … das eine oder a n dere aus dem Ruder gelaufen ist. “
„ Ah. “ Betont interessiert blickte Berthelsen hinaus in das Silbe r grau des Schnees. Unter ihnen zog ein mit Laternen und Scheinwe r fern ausgerüsteter Hundeschlitten über das Eis. Silas runzelte die Stirn. Heute endete die Polarnacht . In wenigen Stu n den würde sich die Sonne für ein paar Minuten am Horizont zeigen. Die Inuit feie r ten an diesem Tag ein Fest zwischen ihren eingefrorenen Kajaks. Vielleicht war das ein Tourist, der sich hi n ausfahren ließ, um den ersten Sonnenaufgang seit Monaten fernab von Lichtpollution erl e ben zu können.
„ Verlust eines Kameraden? “
„ Was? “ Er hatte den Faden des Gespräches verloren.
„ Dinge laufen meistens aus dem Ruder, wenn man einen Freund im Gefecht verliert. Diese Theorie ist so alt wie der
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