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Polarrot

Polarrot

Titel: Polarrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Tschan
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eine Wucht.“
    „Ja, die Tochter ist eine Kuh.“
    „Hast du etwas von Charlotte gehört?“
    „Nur, dass sie in England ist.“
    Breiter bestellte einen weiteren Damassine.
    „Sie hat mir einen Brief geschickt.“
    „Und?“
    „Dass sie in England ist. Der Rest war zensiert.“
    „Sie hat dich nur benutzt – ich habe immer gesagt: lass die Finger von ihr. Das ist nicht deine Gewichtsklasse.“
    „Scheißdreck. Du weißt gar nichts.“
    „So? Warum hat sie dich dann dermaßen im Stich gelassen? Warum hat sie dir nicht geholfen? Die haben ja die besten Anwälte, da wärst du sicher früher rausgekommen.“
    Breiter nahm seine Hände unter den Tisch und verkrallte sie ineinander, so, dass der Schmerz ganz langsam hochkroch. Dann beugte er sich nach vorn und sprach eindringlich und leise auf Willy ein.
    „Soll ich dir sagen, warum sie gleich abgehauen ist? Willst du es wirklich wissen oder willst du einfach bei deiner Wahrheit bleiben?“
    „Sag.“
    „Weil man sie sonst in die Klapsmühle gesteckt oder einfach sonst irgendwie versorgt hätte. Im Namen Gottes und des Geschäfts, verstehst du. Charlotte ist Halbjüdin. Das wäre auf Zeit eh nicht gut gegangen, sie hätte sowieso weichen müssen. Wer mit den Nazis geschäftet, muss rein sein.“
    „Was? Sie ist Halbjüdin?“
    „Ja. Und weißt du was, Willy, du hast recht, ihr habt recht.“
    „Ich sag es ja die ganze Zeit.“
    „Nicht wegen ihr, nein, wegen der Nazis, der Deutschen. Sie dürfen böse sein. Sie müssen böse sein. Einfach losgelassen, verstehst du.“
    „Auch das habe ich die ganze Zeit gesagt. Aber du wolltest ja von gar nichts etwas wissen.“
    „Jetzt gib mal die Milch runter. Du hast keine Ahnung davon, wenn Menschen böse sein müssen. Müssen, verdammt noch mal.“
    „Noch einen Damassine?“
    „Nein, ich möchte nicht gleich besoffen sein. Willy, die werden Krieg machen. Die kennen nichts.“
    „Wie böse sind sie denn?“
    Breiter nahm wieder seine Hände auf den Tisch, betrachtete das Gläschen Damassine, griff mit einem Ruck danach, stürzte den Brand ex hinunter und stellte das Glas wieder ganz behutsam auf den Tisch.
    „Was macht eigentlich Rosie.“
    „Rosie?“
    „Rosie.“
    „Ah Rosie. Mein Gott, Rosie.“
    „Was ist mit ihr?“
    „Nichts. Sie arbeitet nicht mehr.“
    „Aha.“
    „Jacques, sie ist meine Frau. Und wir erwarten ein Kind. In etwa einem halben Jahr.“
    „Deine Frau?“ Breiter nahm seine Hände wieder unter den Tisch und strich mit ihnen auf seinen Oberschenkeln auf und ab.
    „Ja, meine Frau.“
    „Ja und dir ist das egal?“
    „Was egal.“
    „Ja, dass sie vorher, mmmh, du weißt schon.“
    „Dass sie eine Hure war? Das willst du doch sagen, oder?“
    Breiter schwieg. So lange hatten sie sich nicht mehr gesehen. Seit sie damals zu Rosie gegangen waren und er seine ersten Liebesstunden genossen hatte. Er hatte nur noch Charlotte im Kopf gehabt, arbeiten, Geld, mehr Geld, Charlotte, Liebe, Liebe machen, Geld, arbeiten, Charlotte. Willy hatte keinen Platz mehr. Keinen Platz mehr für ein Feierabendbier, für einen Schwumm im Rhein, einen Spaziergang im Allschwiler Wald oder den Besuch eines Fußballspiels auf dem Landhof.
    „Sag mal Jacques, wurdest du eigentlich verpfiffen?“
    „Wie kommst du darauf?“
    „Es gab so Gerüchte, die Gugy hätte dich hochgehen lassen.“
    „Blödsinn. Es war saudumm gelaufen. Hätte ich dem Zöllner nichts von dem Rot für die Fahnen gesagt, hätte ich den Kessel ganz nach hinten gestellt, hätte der Deckel nicht geklemmt … Willy, einfach saudumm.“
    „Einfach Pech gehabt?“
    „Ja, saudummes Pech. Und das mitten im Glück. Ein verdammt hoher Preis, Willy.“
    „Vielleicht hast du das Glück zu sehr gehetzt.“
    „Wie soll ich das Glück hetzen? Ich habe es oder ich habe es nicht. Mich hat es verlassen. Jetzt muss ich schauen, dass ich es wieder finde. Oder dass es mich wieder findet.“
    „Ich hätte mich nicht getraut.“
    „Ich weiß.“
    „Ja, Jacques, ich wäre zufrieden gewesen. Du hattest schon so viel erreicht. Du wärst noch weiter gekommen. Aber du warst zu ungeduldig, weil du vergessen hast, woher du eigentlich kommst. Das geht nicht ratzfatz.“
    „Du bist zufrieden, oder?“
    „Ja – ich bin zufrieden mit dem, was ich hinter mir gelassen habe. Ich nehme das Glück, das mir zusteht.“
    „Das ist gut für dich. Das freut mich, ehrlich.“ Breiter legte die Hände wieder auf den Tisch.
    „Nehmen wir doch noch einen Schnaps,

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