Polgara die Zauberin
öfteren dabei geholfen, nicht dem Wahnsinn zu verfallen.
Schließlich hielt der Frühling auch im Gebirge Einzug, und Vater und ich setzten unseren Weg wieder fort. »Hast du einen Sinn in dem Ganzen erkannt, Vater?« fragte ich ihn, als wir ein paar Minuten marschiert waren.
»Was meinst du, Pol?« fragte er zurück, und sein Gesicht strahlte förmlich vor freundlichem Unverständnis.
Ich gab es auf. Ganz offensichtlich hatte er nicht die leiseste Ahnung, wovon ich sprach. »Vergiß es«, seufzte ich.
Eine Woche später erreichten wir Boktor. Über der Stadt lag noch immer eine Aura von Furcht und Vorsicht. Eine Seuche hatte im vorangegangenen Sommer das Land heimgesucht – eine dieser hochansteckenden Krankheiten, die ohne Vorwarnung zuschlagen, ein Drittel der Bevölkerung töten und dann so schnell, wie sie aufgetaucht sind, wieder verschwinden. Hätte ich nicht so darauf gebrannt, nach Annath zurückzukommen, hätte ich vermutlich in der Hoffnung, ein Heilmittel zu finden, Nachforschungen angestellt. Die Mehrheit der Menschheit fällt der einen oder anderen Krankheit zum Opfer, und als Ärztin empfinde ich das immer als persönliche Kränkung. Philosophisch betrachtet muß ich allerdings zugeben, wie praktisch sie sind. In Anbetracht der menschlichen Fruchtbarkeit muß es irgendein Mittel der Bevölkerungskontrolle geben; und auf lange Sicht sind Krankheiten humaner als Krieg oder Hungersnöte.
Du liebe Güte, was für ein düsterer Gedanke!
Wie dem auch sei, diese Seuche hatte große Mengen Drasnier hinweggerafft, auch ihren König. Vater und ich blieben lange genug, um der Krönung Kronprinz Rhodars beizuwohnen. Ich fragte den dicken König beiläufig und fand erfreut heraus, daß er in der Tat Besuch von einem abgerissen wirkenden jungen Mann namens Yarblek erhalten hatte.
Nach Rhodars Krönung traf Vater einen einsamen Entschluß, den ich nicht gutheißen konnte. Er verkaufte unsere Pferde und erstand ein Ruderboot. »Wir fahren durch die Sümpfe weiter«, verkündete er in jenem aufreizend befehlsgewohnten Ton, den er manchmal anschlägt.
»Wie bitte?«
Ich denke, mein Tonfall verriet meine Empfindungen über Vaters Entschluß. »Zu dieser Jahreszeit benutzen viele Leute die Große Nordstraße, Pol«, erklärte er, als er sich in die Ecke gedrängt sah. »Und in dieser Menge könnten sich ein paar feindliche Augenpaare verstecken.« Er weigerte sich noch immer, die vernünftigste Alternative in Betracht zu ziehen! Obwohl es Frühling war und die Zugvögel den Himmel bedeckten, hätte es auch für uns noch ein Plätzchen da oben gegeben.
Und so stakte er uns durch diesen stinkenden Sumpf. Die Moskitos, dessen bin ich mir sicher, freuten sich sehr, unsere Bekanntschaft zu erneuern. Meine Laune hatte bereits nach der ersten Meile ihren Tiefpunkt erreicht.
Die Moskitos waren nicht die einzigen Sumpfbewohner. Die Schildkröten sahen uns mit teilnahmslosen Reptilienaugen vorbeigleiten, aber die Fennlinge, jene kleinen, entfernt mit den Ottern verwandten Wassertiere spielten und tollten übermütig um unser Boot, und ihr ausgelassenes Keckern klang fast wie Kichern. Augenscheinlich fanden die Fennlinge die Vorstellung von Menschen, die blöd genug waren, um freiwillig in die ausgedehnten Marschen zu kommen, außerordentlich erheiternd.
Es regnete, als Vater uns um eine Biegung des träge und in großen Schleifen dahinfließenden Wasserlaufs stakte, auf dem wir die Marschen durchquerten. Wir erblickten die saubere, reetgedeckte Hütte, die das Heim Vordais war, der Hexe der Marschen.
Geschichten über Vordai tauchten nun schon seit drei Jahrhunderten überall auf dem westlichen Kontinent auf, wüste Übertreibungen, wie sich herausstellte. Hexen befassen sich mit Geistern – und mit dem Wetter natürlich. Wir tun so etwas nicht. Der Unterschied zwischen uns läßt sich wohl am besten so ausdrücken, daß Hexen sich spezialisiert haben, während unsere Interessen eher universal sind. Das ist natürlich über Gebühr vereinfacht, aber was ist das heutzutage nicht?
Die Fennlinge hatten Vordai unser Kommen angekündigt, so daß sie uns in ihrer Tür erwartete, als Vater die Spitze unseres Boots auf den schlammigen Ufergrund ihrer baumbestandenen kleinen Insel lenkte. Ihre Begrüßung konnte man nicht eben herzlich nennen. »Wenn ihr schon hier seid, könnt ihr auch reinkommen«, sagte sie ohne sichtliche Gemütsbewegung, »jedenfalls bis der Regen aufhört.«
Vater und ich stiegen aus dem Boot und gingen den
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