Polgara die Zauberin
Knoten aus meinem Haar gekämmt hatte. Dann erreichten wir die Insel der Winde, und ich machte die Entdeckung, daß ich nicht ganz so häßlich bin, wie ich befürchtet hatte.«
»Das war möglicherweise die gröbste Untertreibung in der Geschichte des Universums«, meinte Vater. »Jetzt, wo sie all die Dreckkrusten abgestreift hat, ist sie einigermaßen vorzeigbar.«
»Mehr als einigermaßen, Belgarath«, warf Beltira ein.
»Egal«, fuhr Vater fort, »als wir auf der Insel der Winde eintrafen, hat sie eine ganze Generation rivanischer Jünglinge beinah um den Verstand gebracht Sie haben sie förmlich angebetet.«
»War es schön, angebetet zu werden, Pol?« neckte mich Belkira.
»Es war nicht unangenehm«, gab ich zu, »aber Vater schien es ziemlich nervös zu machen. Ich kann mir bei meinem Leben nicht vorstellen, warum.«
»Sehr witzig, Polgara«, entgegnete Vater. » Wie dem auch sei, nach der Hochzeit hatten wir ein Gespräch mit Bärenschulter und seinen Söhnen. Sie haben erste Kontakte mit den Angarakanern geknüpft, und wir tasten uns langsam zu einem besseren Verständnis der Unterschiede zwischen Murgos, Thulls und Naraks vor. Dafür können wir uns bei Pol bedanken.« Sein Seitenblick in meine Richtung war so verschlagen, wie meiner es gewesen war. »Du hast dir doch nicht etwa eingebildet, ich hätte es nicht bemerkt, Pol? Aber du warst sehr subtil, ehrlich.« Dann blickte er nachdenklich zur Zimmerdecke hoch. »Wie Pol bereits so freundlich war zu bemerken, haben wir wahrscheinlich mehr Glück mit den Nadraks als mit den Murgos oder den Thulls. Die Thulls sind zu dumm und haben zu viel Angst vor den Grolims, als daß sie uns irgendwie nutzen könnten, und Ctuchik herrscht mit eiserner Faust über die Murgos.
Die Nadraks jedoch sind habgierig, und eine kleine Bestechung am richtigen Ort könnte sie vielleicht auf unsere Seite ziehen – zumindest soweit, daß sie eine nützliche Informationsquelle abgeben.«
»Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, daß weitere Angarakaner über die Landbrücke kommen?« erkundigte sich Beltira.
»Nein, soweit Bärenschulter herausfinden konnte, nicht. Torak wartet offensichtlich auf den richtigen Moment. Beldin ging zurück nach Mallorea, um ein Auge auf ihn zu haben – zumindest sagt er das. Meiner Meinung nach reizt es ihn jedoch, dieses Gespräch mit Urvon über weißglühende Haken fortzusetzen. Wie dem auch sei, er wies uns darauf hin, daß die Murgos, Nadraks und Thulls nur die Vorhut sind. Das Spiel nimmt erst so recht seinen Anfang, wenn Torak sich entschließt, sein Ringen mit Aldurs Auge in Ashaba zu beenden.«
» Meinetwegen braucht er sich nicht zu beeilen«, meinte Belkira.
Die folgenden Wochen verbrachten wir damit, den Zwillingen weitere Einzelheiten über unseren Besuch auf der Insel der Winde und über Beldarans Hochzeit zu berichten. Seit undenklichen Zeiten haben die Zwillinge nur äußerst selten das Tal verlassen, hauptsächlich deshalb, weil, wie Beltira es so humorvoll ausdrückt, ›sich ja irgend jemand um die Vorräte kümmern muß‹. Da wir jedoch alle zur selben Familie gehören, sind sie selbstverständlich begierig auf Nachrichten über unsere zahlreichen Abenteuer in der Welt da draußen.
Ich war verständlicherweise in diesen Wochen ziemlich melancholisch gestimmt. Den Schmerz der Trennung von meiner Schwester verspürte ich noch immer überaus deutlich. Eigenartigerweise brachte diese Trennung Vater und mich einander näher. In meinen Augen hatten Vater und ich im Wettstreit um Beldarans Zuneigung gelegen, seit er damals nach seinen Trinkexzessen ins Tal zurückgekehrt war. Mit Beldarans Hochzeit war dieser Wettstreit überflüssig geworden. Ich beleidigte meinen Vater immer noch hin und wieder, mehr jedoch aus Gewohnheit. Ich hätte mir lieber die Zunge abgebissen, als es zuzugeben, aber ich begann einen gewissen Respekt für ihn und eine eigenartig heimliche Zuneigung ihm gegenüber zu entwickeln. Wenn er es darauf anlegt, kann mein Vater trotz allem ein ziemlich liebenswerter alter Säufer sein.
In unserem Leben im Turm stellte sich eine häusliche Routine ein, die einfach und für alle Beteiligten bequem war. Ich glaube, der eigentliche Grund für diese Entwicklung lag darin, daß ich gerne koche und er gerne ißt. Es war eine ruhige Zeit. Wir führten abendlich anregende Unterhaltungen und ich genoß sie.
Einer der Glaubenssätze eines jeden Heranwachsenden lautet, daß er – oder sie – viel mehr weiß als seine – oder ihre
Weitere Kostenlose Bücher