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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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gesplitterte Knochen in seine Beinmuskeln schneiden«, antwortete er. »Sie schreien immer, wenn ich einen Knochen richte. Es ist unwichtig. Lerne, es zu überhören.«
Balten, der Wundarzt war eigentlich Barbier. Er hatte schlanke, feingliedrige Hände und einen etwas heimlichtuerischen Gesichtsausdruck. Leute aufzuschneiden – außer aus Vergnügen – war in den meisten alornischen Gemeinden jener Tage vom Gesetz verboten, so daß Baltens Kunst im Verborgenen gedeihen mußte, für gewöhnlich auf dem Küchentisch seiner Frau. Da er wissen mußte, wo all die Dinge im menschlichen Körper lagen, mußte er ebenfalls eine stattliche Anzahl kürzlich Verstorbener öffnen, so daß er vergleichende Tafeln anlegen konnte. Ich glaube, er benutzte den Spaten auf dem Kirchhof ebenso oft wie sein Barbiermesser in der Küche. Seine anatomischen Studien fanden meist unter einem gewissen Zeitdruck statt, weil er die Objekte seiner Studien vor Sonnenaufgang wieder in ihre Gräber zurückbringen mußte. Als seine Schülerin wurde ich häufig aufgefordert, an seiner leichenschänderischen Freizeitbeschäftigung teilzunehmen.
Ich gebe gern zu, daß ich auf diesen Teil meiner medizinischen Studien gerne verzichtet hätte. Die Gärtnerei liegt mir, aber die Früchte, die Balten und ich auf jenen mitternächtlichen Exkursionen ausgruben, waren nicht sehr anziehend, wenn ihr die Wahrheit hören wollt.

Noch ein weiteres meiner ›Talente‹, Vater. Wußtest du, daß deine Tochter eine ziemlich erfahrene Grabräuberin ist? Das nächste Mal, wenn du vorbeischaust, grabe ich dir einen aus, nur damit du siehst, wie man es macht.

»Am besten macht man sie betrunken, ehe man sie aufschneidet, Pol«, ließ Balten mich an einem Abend wissen, als er einen Humpen mit starkem Ale für unseren jüngsten Patienten füllte.
»Um den Schmerz zu mildern?« fragte ich.
»Nein. Damit sie nicht herumzappeln, während du sie aufschneidest. Wenn du dein Messer in die Eingeweide eines Mannes senkst, möchtest du, daß er vollkommen ruhig bleibt. Ansonsten könntest du Dinge abschneiden, die besser drangeblieben wären.« Als ich nach einem seiner gekrümmten Messer griff, umfaßte er mein Handgelenk mit einem ziemlich festen Griff. »Sei vorsichtig, Polgara!« warnte er mich. »Diese Messer sind sehr scharf. Ein scharfes Messer ist der Schlüssel für jede gute wundärztliche Tätigkeit. Stumpfe Klingen richten immer eine ziemliche Schweinerei an.«
Und das war meine Einführung in das Studium der Medizin. Alorner sind ein rauhes, praktisch veranlagtes Volk, und meine vier Lehrer – Arell, Argak, Salheim und Balten – verhalfen mir zu einem nüchternen Zugang zur Heilkunde. Ich glaube, ich habe die Lektion des grobschlächtigen Knocheneinrichters gelernt. ›Wenn es gebrochen ist, richte es. Wenn nicht, laß es.‹ Ich habe seitdem medizinische Schriften aus allen Winkeln der Welt studiert, und ich suche noch immer vergeblich nach etwas Treffenderem als diesem kernigen Lehrspruch.
Das soll indes nicht heißen, daß ich meine gesamte Zeit mit Nachgeburten, gebrochenen Knochen und inneren Organen verbracht hätte. Ich verbrachte Stunden mit meiner Schwester, und außerdem erwartete mich noch die Aufgabe, meine einstigen Verehrer davon zu überzeugen, daß ich keine Lust mehr auf ihr Spiel hatte.
Mit Merot dem Dichter kam ich recht einfach zu Rande. Mit stolzgeschwellter Brust teilte er mir mit, daß er es seit neuestem auf sich genommen habe, das größte Heldenlied in der Geschichte der Menschheit zu verfassen.
»Ach?« meinte ich, während ich vor seinem üblen Atem zurückwich.
»Würdet Ihr vielleicht gerne ein paar Zeilen aus meinem Werk hören, Lady Polgara?« erbot er sich.
»Ich wäre hoch erfreut«, log ich ihm ungerührt ins Gesicht.
Er nahm eine theatralische Pose ein, eine tintenbekleckerte Hand vorne gegen das dunkle Wams gepreßt, und legte sich, die Brust geschwellt, selbstgefällig ins Zeug. Seine Deklamation war sogar noch langweiliger und ermüdender als beim letzten Mal. Mit ausdruckslosem Gesicht wartete ich, bis er völlig im Sproß seines dichterischen Genies aufgegangen war, um mich dann umzudrehen und wegzugehen, während er sein Meisterwerk einer weißen Wand vortrug. Ich weiß nicht, ob die Wand beeindruckt war. Ich hatte nie Gelegenheit, sie zu fragen. Aber Merot war wohl beeindruckt genug für sie beide.
Mein neuerworbenes Wissen bezüglich der Funktionsweise des menschlichen Körpers half mir dabei, dem ›mächtigen Taygon‹

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