Polifazios Vermächtnis (German Edition)
hatte, seinen Freund Mugel nicht mehr wieder zu finden. Und genau wie Mugel, so wurde auch er direkt neben Bruno aus dem Loch geschleudert. Offenbar konnte man mittels seiner Gefühle und Gedanken die Richtung seiner Reise bestimmen. Lediglich Levicia schaffte es nicht, ihre drei Begleiter zu finden. Angefüllt von Hass ging sie immer wieder in das Loch im Baum zurück. Wütend dachte sie über die Dummheit ihrer Begleiter nach. Stundenlang reiste sie so durch den Wald. Himbi, Mugel und Bruno waren überfroh, sich endlich wieder gefunden zu haben.
„Das werden ja immer mehr!“, stellte die weibliche Stimme erstaunt fest.
Himbi und Mugel wurden sofort von der lieblichen Stimme der Frau in den Bann gezogen. Schnell blickten sie sich zu ihr um und erblickten sogleich die schillernste und schönste Frau, die sie jemals zuvor gesehen hatten. Vor ihnen, auf einem grauen Findling sitzend, befand sich eine menschliche Frau mit langem, lockigem, goldenem Haar. Die Frau war schlank und äußerst wohl gebaut. Jede ihrer wunderschönen Rundungen wurde von dem grazilen und femininen leichten Kleid, das sie trug, zusätzlich betont. Das farbenfrohe Kleid schien durchsichtig und undurchdringlich zugleich. Die Frau hatte wunderschöne, leicht gebräunte Haut und winzige niedliche Sommersprossen im lieblichen Gesicht. Sie trug keine Schuhe, und wenn man in ihre kristallklaren, tiefgrünen Augen sah, dann glaubte man, direkt in ihre reine Seele blicken zu können. Trotz ihres, nach ihrem Äußeren zu urteilen, jungen Alters, ging von ihr eine uralte und weise Aura aus, wie die Freunde sie bislang nur von den Uralten Bergkönigen her kannten, sofern sie diese einmal auf einem öffentlichen Fest zu Gesicht bekommen hatten.
„Himbi, der Guhlbezwinger, und sein treuer Freund Mugel, der Meisterdieb. Ich habe euch bereits erwartet.“ richtete sie erneut das Wort an die Freunde.
„ Ihr kennt unsere Namen? Doch wir kennen den euren nicht.“ antwortete Himbi zögerlich, nach einer passenden Antwort suchend.
Krampfhaft suchte er nach den richtigen Worten, die einer solchen Person geziemten.
„Oh doch, ihr kennt mich. Schaut in eurer Herz und ihr werdet wissen, wer ich bin.“ sagte die Frau liebevoll. „Delvariel?“, fragte Himbi und Mugel gleichzeitig. „Seht ihr, und schon sind wir einander bekannt. Kommt, es gibt vieles, was wir besprechen müssen!“ sagte Delvariel und ging zusammen mit Bruno langsam voran am Ufer des Cedaron hinauf.
Delvariel und die Fügung des Schicksals
Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, folgten die Freunde Delvariel den Lauf des Cedaron herauf. Es dauerte nicht lange und der Fluss verjüngte sich immer mehr, bis er schließlich unterhalb eines winzigen Wasserfalles endete. In einer Höhe von gut fünf Schritten kam ein kleines Bächlein aus einer Felswand, das es kaum wert war, Wasserfall genannt zu werden. Der kleine Bach schien, genau wie der gesamte Fluss, nicht zu fließen. Wie eine Säule aus flüssigem Eis stand er an die Wand des Berges gelehnt. Die beiden konnten kaum glauben, dass dieses mickrige Bächlein die Quelle des mächtigen Cedaron sein sollte.
„ Ist das die Quelle des Flusses?“, fragte Mugel skeptisch.
„ Selbstverständlich ist sie das. Mein lieber Mugel, um Großes zu vollbringen, bedarf es oft nur kleiner Dinge. So unscheinbar und klein diese Quelle auch ist, so speist sie dennoch den mächtigsten Fluss dieses Teils der Erde.“ antwortete Delvariel.
Mugel ließ sich die Worte mehrfach durch den Kopf gehen. Wenn etwas so Kleines, zu etwas so Großem fähig war, wozu konnte dann der Einzelne bloß fähig sein? Mugel musste plötzlich an den Gnom Fospel denken, dem es gelungen war, die perfekte Alarmanlage zu schaffen. Plötzlich sah er Hoffnung in ihrem Unternehmen, Zeliath Harizum aufzuhalten, Polifazio wieder zum Leben zu erwecken.
„Delvariel, unsere Gesellschaft ist noch immer nicht vollständig. Unsere Begleiterin Levicia fehlt noch immer.“ sagte Himbi, während sie weitergingen.
„ Gewiss tut sie das. Doch es ist mir nicht möglich, sie hier ins Herz des Waldes zu holen. Das kann sie nur ganz alleine schaffen. Um hierher zu gelangen, bedarf es reinster und aufrichtigster Gefühle und Gedanken. Dies ist der Schutzzauber, der den Wald seit Jahrtausenden davor beschützt, dass dunkle und böse Kreaturen hier Einzug halten. Offenbar geht im Inneren eurer Freundin etwas vor sich, was ihr den Eintritt in meinen Wald
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