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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Befehlshaber am besten beschreiben konnte. Aber er hatte kaum begonnen, als Plinius ihm mit einer Handbewegung Schweigen gebot.
    »Die Niedertracht und Habgier von Menschen!«, rief er ungeduldig. »Das allein würde für ein Buch ausreichen. Aber was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Schreib alles auf und lege mir den Bericht bei meiner Rückkehr vor. Was ist mit dem Aquädukt?«
    »Repariert, Befehlshaber. Jedenfalls war er in Ordnung, als ich ihn heute Morgen verließ.«
    »Dann hast du gute Arbeit geleistet, Wasserbaumeister. Ich verspreche dir, dass man in Rom davon erfahren wird. Und jetzt kehr in deine Unterkunft zurück und ruhe dich aus.«
    Der Wind ließ die Taue gegen den Mast der Minerva klatschen. Torquatus stand auf der hinteren Laufplanke und sprach mit Antius, dem Kommandanten des Flaggschiffes, und einer Gruppe von sieben Offizieren. Sie nahmen Haltung an, als Plinius' Kutsche eintraf.
    »Wenn du gestattest, Befehlshaber, würde ich lieber mitkommen.«
    Plinius musterte ihn überrascht, dann lächelte er und schlug mit seiner fleischigen Hand auf Attilius' Knie. »Ein Wissenschaftler! Du bist genau wie ich! Ich habe es in dem Augenblick gewusst, in dem ich dich gesehen habe! Wir werden heute große Dinge vollbringen, Marcus Attilius.« Er schnaufte seine Befehle heraus, noch während ihm sein Sekretär aus der Kutsche half. »Torquatus – wir legen sofort ab. Der Wasserbaumeister kommt mit. Antius – lass den Alarmzustand ausrufen. Und lass in meinem Namen ein Signal nach Rom übermitteln: ›Vesuv kurz vor der siebenten Stunde ausgebrochen. Die Anwohner des Golfs sind in Gefahr. Ich schicke die ganze Flotte zur Rettung Überlebender aus.‹«
    Antius starrte ihn an. »Die ganze Flotte?«
    »Alles, was schwimmen kann. Was hast du da draußen?« Plinius richtete die kurzsichtigen Augen auf den Außenhafen, wo die Kampfschiffe vor Anker lagen und in der zunehmenden Dünung schaukelten. »Ist das die Concordia, die ich da sehe? Die Liberias. Justitia. Und die da drüben – die Pietas? Die Europa.« Er schwenkte die Hand. »Sie alle. Und jedes Schiff im inneren Hafen, das nicht im Trockendock liegt. Neulich abends hast du dich noch beklagt, Antius, dass die mächtigste Flotte der Welt nie in die Schlacht zieht. Nun, hier ist eine Schlacht für dich.«
    »Aber zu einer Schlacht gehört ein Feind, Befehlshaber.«
    »Dort ist dein Feind.« Er deutete auf die schwarze Wolke, die in der Ferne immer größer wurde. »Ein gefährlicherer Feind als jedes Heer, dem Caesar je gegenüberstand.«
    Einen Augenblick lang bewegte Antius sich nicht, und Attilius fragte sich, ob er vielleicht daran dachte, den Befehl zu verweigern, aber dann trat ein Funkeln in seine Augen, und er wandte sich an die Offiziere. »Ihr habt eure Befehle gehört. Informiert den Kaiser und ordnet Generalalarm an. Und lasst alle wissen, dass ich dem Kapitän, der nicht binnen einer halben Stunde auf See ist, die Eier abschneiden werde.«
     
    Nach der Wasseruhr des Befehlshabers war es um die Mitte der neunten Stunde, als sich die Minerva vom Kai löste und langsam Kurs auf die offene See nahm. Attilius bezog seine alte Position an der Reling und nickte Torquatus zu. Der Kommandant der Liburne reagierte mit einem leichten Kopfschütteln, als wollte er sagen, dass er dieses Unternehmen für Wahnsinn hielt.
    »Notiere die Zeit«, befahl Plinius, und Alexion, der neben ihm hockte, tauchte die Feder in die Tinte und kritzelte eine Zahl.
    Für Plinius war auf dem Oberdeck ein bequemer Stuhl mit Armstützen und einer hohen Rückenlehne aufgestellt worden; von dieser erhöhten Position aus überblickte er die Szene, die sich ihm bot. Seit mehr als zwei Jahren hatte er davon geträumt, die Flotte in einer Schlacht zu befehligen – dieses gewaltige Schwert aus der Scheide zu ziehen –, obwohl er wusste, dass Vespasian ihn nur als Verwalter in Friedenszeiten berufen hatte, um dafür zu sorgen, dass die Klinge nicht rostete. Aber jetzt war Schluss mit dem Exerzieren. Jetzt endlich würde er erleben, wie es in einer Schlacht wirklich zuging: die durchdringenden Töne der Trompeten, die die Männer aus allen Ecken Misenums herbeiriefen, die Ruderboote, die die ersten Seeleute zu den riesigen Quadriremen hinausbeförderten, die Vorhut, die sich bereits an Bord der Kampfschiffe befand und auf den Decks herumeilte, die hohen Masten, die aufgerichtet, und die Ruder, die eingelegt wurden. Antius hatte versprochen, sofort zwanzig Schiffe seeklar zu

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