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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Müsliriegeln anstellen.
Und unterdessen im PopCo-Büro:
Oh Gott, die richtig coolen Rockstars tragen dieses Jahr alle Stirnbänder! Wir müssen noch diese Woche Stirnbänder für Star
     Girl und Ursula entwerfen. Stellt das gleich auf die Website, ich setze mich mit der Produktion in Verbindung
…»
    «Aber ob die Band das alles weiß?», gebe ich zu bedenken.
    «Klar weiß die das. Und mit den Plattenfirmen habe ich ja noch gar nicht angefangen. Alle großen Rockstars versuchen, unangepasst
     zu sein», sagt Esther. «Die meisten zumindest. Dann verkaufen wir ihren Fans eben unangepasstes Zeug. Wir beobachten, was
     für Klamotten sie auf der Bühne tragen, und bieten die dann auf unserer Website an. Den Plattenfirmen ist das schnurz, solange
     es einen Markt dafür gibt; sie schickeneinfach ihre Briefings rum, in denen was von ‹außergewöhnlich› und ‹anti› steht. Die Wichser interessieren sich doch gar nicht
     dafür, ob du beispielsweise auch gegen sie bist, solange du nur Geld ins Haus bringst. Du bist ein Star in diesem System?
     Du bist berühmt? Super. Das heißt nur, dass irgendwer ein Schweinegeld mit dir verdient. Das müssen wir doch gleich mit ein
     paar Hamburgern feiern! Im Prinzip ist das so, als würde eine Meute Vampire eine einzelne Leiche aussaugen. Wer ist schon
     gern Vampir? Oder Leiche? Niemand. Und trotzdem sind wir alle eins von beidem. Alle bis auf Georges und Mac und die ganze
     Blase und all die anderen Großaktionäre überall auf der Welt.»
    Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Esther nicht zu Georges’ Rede gegangen ist.
    «Weißt du, mir ist ja klar, dass du mir nicht sagen willst, was genau du machst», sage ich. «Aber eigentlich musst du doch
     für Chi-Chi und K arbeiten. Ich meine   …» K-Leute kriegen ständig Burnouts, das habe ich schon oft erlebt. Von einem Tag auf den anderen erwischen sie sozusagen eine Überdosis
     Popkultur, und das ist dann gar nicht schön, viel schlimmer noch als die Masern. Dan wäre das auch fast passiert, aber dann
     hat er sich gerade noch rechtzeitig mit Chi-Chi überworfen und ist nochmal davongekommen.
    Esther lacht. Es klingt fast wie ein Quieken. «Gott, ich rede wirklich nur noch Blödsinn. Beim nächsten Mal musst du mir einfach
     sagen, ich soll die Klappe halten   … Ich will doch nicht irgendwann als gestörte Version von einem von Chi-Chis fiesen Robotern enden.» Sie steht auf und stakst
     im Roboterschritt durch den kleinen Pavillon, die Arme steif nach vorn gestreckt. «Ich – bin – ja – so – cool – mei – ne –
     bö – sen – Ge – dan – ken – sind – po – si – tiv – Re – bel – lion – ist – cool   …»
    «Dann arbeitest du also nicht für K?»
    «Ehrlich gesagt darf ich nicht erzählen, was ich mache»,sagt Esther. «Und eigentlich hätte ich dir nicht mal das verraten dürfen. Also hör lieber auf, mir Fragen zu stellen.»
    «Schon gut», sage ich viel zu schnell. «Ich habe nichts gehört.»
    Esther macht ein leicht erschrockenes Gesicht. «So eine große Sache ist das nun auch wieder nicht», sagt sie. «Trotzdem danke.
     Aber diesen Georges finde ich wirklich total zum Kotzen. Du nicht auch?»

KAPITEL SIEBEN
    «Ich habe nichts gehört.»
    Das ist die Stimme meines Vaters, einige Zeit, bevor er verschwand. Wir wohnen noch mitten in der Stadt; in etwa einem Monat
     wird die Knopffabrik anfangen, Leute zu entlassen. Mein Großvater ist zu Besuch gekommen, aber anstatt Tee mit viel Milch
     zu trinken und mit mir Schach zu spielen, streitet er mit meinem Vater.
    «Ich bitte dich, Bill», sagt er jetzt.
    «Ich sage dir doch, ich habe nichts gehört. Meine Lippen sind versiegelt.»
    Er zieht einen imaginären Reißverschluss vor dem Mund zu. Wenn meine Freundinnen und ich das machen, ist es ein Zeichen absoluten
     Stillschweigens und gegenseitigen Vertrauens, und wir machen große, ernste Augen dazu. Die Augen meines Vaters dagegen schauen
     kalt und ausdruckslos, und auch die Geste wirkt ganz falsch bei ihm. Seine Hände sind viel zu groß und erwachsen dafür. Der
     Mittelfinger ist vom Rauchen gelblich verfärbt, und seine Hände zittern. Das tun sie immer, vor allem aber, wenn mein Großvater
     zu Besuch kommt.
    «Aber, Bill   …», sagt mein Großvater.
    «Was denn?», fragt mein Vater. Ich bin mir nicht ganz sicher – die Erinnerung ist mindestens so staubig und vergilbt wie unser
     altes Sofa   –, aber ich glaube, er bestreicht gerade zwei Scheiben Brot mit Schmalz,

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