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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sie stand
kurz vor ihrer nächsten Niederkunft und war schon zu
schwerfällig für die Reise nach Santiago. Die Nachrichten aus
den Weinbergen lauteten sehr günstig für dieses Jahr, sie
gedachten den Weißen im März zu ernten und den Roten im
April, erzählte Severo und fügte hinzu, es gebe einige Rebstöcke
mit blauen Trauben, die sich völlig von denen unterschieden,
zwischen denen sie wuchsen, sie waren empfindlicher, bekamen
leicht Fruchtfäule und wurden später reif. Obwohl sie
vorzügliche Trauben lieferten, wollte er sie lieber ausreißen, um
Problemen aus dem Weg zu gehen. Paulina spitzte die Ohren,
und ich sah in ihren Augen jenes gierige Lichtlein aufblitzen,
das meistens eine gewinnbringende Idee ankündigte.
    »Gleich bei Herbstanfang pflanze sie getrennt. Pflege sie gut,
und im nächsten Jahr werden sie uns einen ganz besonderen
Wein liefern«, sagte sie. »Weshalb sollen wir uns so einen
Versuch aufhalsen?« fragte Severo.
    »Wenn diese Trauben später reifen, müssen sie feiner und
konzentrierter sein. Bestimmt wird der Wein sehr viel besser als
jeder andere.«
»Wir stellen einen der besten Weine des Landes her, Tante.«
    »Tu mir den Gefallen, Neffe, mach, um was ich dich bitte«,
sagte meine Großmutter in dem schmeichlerischen Tonfall, den
sie anschlug, ehe sie einen Befehl gab.
    Nivea konnte ich erst am Tag der Hochzeit sehen, als sie mit
einem Neugeborenen auf der Schulter kam, um mir in aller Eile
die grundlegende Aufklärung mitzugeben, die jede Braut vor
den Flitterwoche n kennen sollte, nur hatte sich niemand die
Mühe gemacht, sie mir zukommen zu lassen. Meine
Jungfräulichkeit bewahrte mich jedoch nicht vor den Schrecken
einer instinktiven Leidenschaft, die ich nicht zu benennen
wußte, ich dachte Tag und Nacht an Diego, und diese Gedanken
waren nicht immer keusch. Mich verlangte nach ihm, aber ich
wußte nicht recht warum. Ich wollte in seinen Armen liegen,
von ihm geküßt werden, wie es ein paarmal geschehen war, und
ihn nackt sehen. Ich hatte noch nie einen nackten Mann gesehen,
und, ich geb’s zu, die Neugier ließ mich nicht schlafen. Das war
alles, der Rest
- Mysterium. Nivea in ihrer unverfrorenen
Aufrichtigkeit war die einzige, die mich hätte belehren können,
aber erst Jahre später, als Zeit und Gelegenheit ausreichten,
unsere Freundschaft zu vertiefen, sollte sie mir die Geheimnisse
ihres Intimlebens mit Severo aufdecken und mir, prustend vor
Lachen, im einzelnen die Stellungen beschreiben, die sie aus der
bewußten Sammlung ihres Onkels José Francisco Vergara
gelernt hatte. Ich hatte inzwischen die Unschuld hinter mir
gelassen, aber ich war noch immer sehr unwissend in Sachen
Erotik, wie es, versicherte mir Nivea, fast alle Frauen und auch
die meisten Männer sind. »Ohne die Bücher meines Onkels
hätte ich fünfzehn Kinder gekriegt, ohne zu wissen wieso«,
sagte sie. Ihre Ratschläge, bei denen meinen Tanten die Haare
zu Berge gestanden hätten, waren mir für die zweite Liebe sehr
dienlich, aber für die erste hätten sie mir überhaupt nichts
genützt. Drei lange Monate kampierten wir in vier Räumen des
Hauses an der
Ejército Libertador, keuchend vor Hitze. Ich
langweilte mich nicht, denn meine Großmutter hatte sofort ihre
Wohltätigkeitsarbeit wiederaufgenommen, obwohl sämtliche
Mitglieder des Damenklubs Sommerurlaub machten. In Paulinas
Abwesenheit hatte sich die Disziplin gelockert, und an ihr war
es nun, die Zügel der Barmherzigkeit fester anzuziehen; wir
besuchten wieder Kranke, Witwen und Schwachsinnige,
verteilten Essen und überwachten die Anleihen an arme Frauen.
Diese Idee, über die sich die Zeitungen lustig machten, weil
keiner glaubte, daß die Nutznießer - alle im letzten Stadium der
Bedürftigkeit - das Geld zurückgeben würden, hatte so gute
Ergebnisse gebracht, daß die Regierung sich entschloß, sie
aufzugreifen. Die Frauen zahlten die Anleihen nicht nur
gewissenhaft in monatlichen Raten zurück, sondern
unterstützten einander sogar, und wenn eine nicht zahlen konnte,
taten es die anderen für sie. Ich glaube, Paulina überlegte schon,
wie sie doch eigentlich Zinsen von ihnen verlangen und aus der
Barmherzigkeit ein Geschäft machen könnte, aber da habe ich
sie ganz schnell gestoppt. »Alles hat seine Grenzen, Großmutter,
auch die Geldsucht«, habe ich sie ziemlich hart angefahren.
    Durch meine leidenschaftliche Korrespondenz mit Diego
wurde ich richtig postabhängig. Ich entdeckte, daß

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