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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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mir oder brachte mir kleine Geschenke mit,
durchsichtige Achate aus dem Flußbett, eine bescheidene
Halskette aus dem Mapuchereservat, Waldblumen, eine Mode
Zeitschrift, die er im Dorfladen bestellt hatte, so suchte er die
Gleichgültigkeit seines Bruders mir gegenüber aufzuwiegen, die
für die ganze Familie sichtbar war. Er nahm mich oft bei der
Hand und fragte besorgt, ob es mir gutging, ob ich etwas
brauchte, ob ich mich auf Caleufú nicht langweilte. Susana
dagegen, in ihre odaliskenhafte Mattigkeit versunken, die der
Faulheit ziemlich nahekam, übersah mich die meiste Zeit und
hatte eine reichlich impertinente Art, mir den Rücken zu kehren,
wenn ich etwas zu ihr sagte, daß mir das Wort im Halse
steckenblieb. Üppig, mit goldfarbenem Teint und großen
dunklen Augen, war sie eine Schönheit, aber ich glaube, sie war
sich dessen nicht einmal bewußt. Es war niemand da, vor dem
sie hätte glänzen können, nur die Familie, deshalb wandte sie
wenig Sorgfalt an ihr Äußeres, manchmal frisierte sie sich nicht
einmal und verbrachte den Tag in einem Morgenrock und in
Pantoffeln aus Schafwolle, schläfrig und traurig. An anderen
Tagen dagegen erschien sie strahlend wie eine
Maurenprinzessin, das lange dunk le Haar von Kämmchen aus
Schildpatt in einen Knoten zusammengefaßt und mit einem
goldenen Halsband, das die vollkommene Form ihres Halses
betonte. Wenn sie gut gelaunt war, gefiel es ihr, mir Modell zu
sitzen; einmal schlug sie mir bei Tisch vor, sie nackt zu
fotografieren. Das war eine Provokation für diese konservative
Familie, die wie eine Bombe einschlug, Dona Elvira hätte fast
einen neuen Herzanfall bekommen, und Diego sprang empört so
abrupt auf, daß sein Stuhl umkippte. Hätte Eduardo nicht schnell
einen Witz gemacht, wäre ein Drama daraus geworden. Adela,
die von dem guten Aussehen der Geschwister Domínguez am
wenigsten abbekommen hatte mit ihrem Kaninchengesicht und
dem Meer von Sommersprossen rund um ihre blauen Augen,
war zweifellos die netteste. Ihre Fröhlichkeit war etwas so
Beständiges wie das Morgenlicht; wir konnten uns darauf
verlassen, daß sie unsere Gemüter aufhellte noch in den
finstersten Stunden des Winters, wenn der Wind zwischen den
Dachziegeln heulte und wir es gründlich satt hatten, im Licht
einer Kerze Karten zu spielen. Ihr Vater Don Sebastian betete
sie an, nichts konnte er ihr abschlagen, und ab und zu bat er sie
halb im Scherz, halb im Ernst, sie möge doch ja nicht heiraten,
damit sie ihn im Alter pflegen könne.
    Als der Winter ging, hinterließ er unter den Pachtbauern drei
Opfer; zwei Kinder und ein alter Mann waren an
Lungenentzündung gestorben, auch die Großmutter starb, die im
Haus gewohnt hatte und den Berechnungen nach fast hundert
Jahre gelebt haben mußte, denn sie hatte ihre erste Kommunion
gefeiert, als Chile seine Unabhängigkeit von Spanien erklärte,
und das war 1810 gewesen. Alle wurden mit wenig Zeremonien
auf dem Friedhof von Caleufú beerdigt, den die
sturzbachähnlichen Regengüsse in einen Sumpf verwandelt
hatten. Erst im September hörte es auf zu regnen, und dann
brach der Frühling von allen Seiten herein, und wir konnten
endlich in den Patio gehen und die durchfeuchteten Kleider und
Matratzen in die Sonne legen. Dona Elvira hatte diese Monate in
Schals gewickelt verbracht, ihr Weg ging vom Bett zum Sessel
und zurück, und sie war immer schwächer geworden. Einmal im
Monat fragte sie mich sehr diskret, ob es »nichts Neues« gebe,
und da das nicht der Fall war, verstärkte sie ihre Gebete, daß
Diego und ich ihr doch ein weiteres Enkelkind bescheren
möchten. Trotz der endlos langen Nächte dieses Winters hatte
sich das Liebesleben zwischen meinem Mann und mir nicht
gebessert. Wir trafen aufeinander in Dunkelheit und Schweigen
fast wie Feinde, und immer verblieb mir das gleiche Gefühl von
Enttäuschung und nicht zu unterdrückendem Weh wie beim
ersten Mal. Mir schien, daß wir uns nur dann umarmten und
küßten, wenn ich die Initiative ergriff, aber da kann ich mich
irren, vielleicht war es nicht immer so. Mit dem Beginn des
Frühlings nahm ich meine einsamen Ausritte in die Wälder und
zu den Vulkanen wieder auf; wenn ich durch diese
unermeßlichen Weiten galoppierte, sänftigte sich mein Hunger
nach Liebe ein wenig, die Müdigkeit und das vom Sattel
geschundene Gesäß waren stärker als die unterdrückten
Wünsche. Abends kam ich naß von Pferdeschweiß und
tropfenden Bäumen zurück, ließ

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