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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Wir führten keine Streitgespräche und
behandelten uns mit gezwungener Höflichkeit, aber mir wäre ein
offener Krieg tausendmal lieber gewesen als unser verstocktes
Schweigen. Mein Mann vermied möglichst jede Gelegenheit,
mit mir allein zu sein; abends zog er das Kartenspiel so lange
hin, bis ich todmüde schlafen ging; morgens sprang er beim
ersten Hahnenschrei aus dem Bett, und selbst an Sonntagen,
wenn der Rest der Familie spät aufstand, fand er immer einen
Vorwand, früh aus dem Haus zu gehen. Ich dagegen war völlig
abhängig von seiner Stimmung, ich kam ihm zuvor, wenn ich
ihm in Kleinigkeiten behilflich sein konnte, tat alles, um ihn für
mich einzunehmen und ihm das Leben angenehm zu machen;
mein Herz schlug Galopp, wenn ich seine Schritte oder seine
Stimme hörte. Ich wurde nie müde, ihn anzusehen, für mich war
er schön wie ein Märchenheld; im Bett betastete ich seine
starken, breiten Schultern, aber ganz behutsam, um ihn nicht zu
wecken, strich über sein volles lockiges Haar, die Muskeln der
Beine, den Nacken. Ich mochte seinen Geruch nach Schweiß,
Erde und Pferd, wenn er vom Feld kam, und nach englischer
Seife, wenn er gebadet hatte. Ich vergrub das Gesicht in seiner
Wäsche, um seinen männlichen Geruc h einzuatmen, wenn ich es
schon nicht wagte, an seinem Körper zu schnuppern. Heute, mit
dem Abstand der Zeit und dank der Freiheit, die ich in den
letzten Jahren gewonnen habe, begreife ich, wie sehr ich mich
aus Liebe selbst demütigte. Ich schob alles beiseite, von meinen
tieferen Bedürfnissen bis zu meiner Arbeit, um von einem
häuslichen Paradies zu träumen, das es für mich nicht gab.
    Während des langen, tatenlosen Winters mußte die Familie
sich einiges einfallen lassen, um gegen die Langeweile
anzukämpfen. Alle hatten ein gutes Ohr für Musik, spielten
mehrere Instrumente, und so vertrieben sie sich die Abende mit
improvisierten Konzerten. Susana entzückte uns, wenn sie, in
einer malerisch geschlitzten Tunika aus Samt, einen türkischen
Turban auf dem Kopf und die Augen mit Kohle geschwärzt, mit
rauher Stimme Zigeunerlieder sang. Dona Elvira und Adela
richteten Nähkurse für die Frauen ein und bemühten sich, die
kleine Schule in Betrieb zu halten, aber nur die Kinder der am
nächsten wohnenden Pächter konnten dem Klima widerstehen
und zum Unterricht kommen; täglich gab’s winterliche
Rosenkranzandachten, die Große und Kleine anzogen, denn
hinterher wurde Torte und heiße Schokolade aufgetragen.
Susana hatte den Einfall, ein Theaterstück vorzubereiten, mit
dem wir das Ende des Jahrhunderts feiern sollten, und das
beschäftigte uns mehrere Wochen
- wir mußten den Text
schreiben, unsere Rollen lernen, eine Bühne in einem der
Speicher aufbauen und ausgestalten, Kostüme nähen und, nicht
zuletzt, proben. Das Thema war natürlich eine Allegorie auf die
Fehler und Mißlichkeiten der Vergangenheit, die vernichtet
werden durch das glühende Krummschwert Wissenschaft,
Technik und Fortschritt des zwanzigsten Jahrhunderts. Neben
dem Theater maßen wir uns im Scheibenschießen und im
Erklären von Ausdrücken aus dem Wörterbuch, überhaupt in
allen möglichen Wettkämpfen, vom Schach bis zur Anfertigung
von Hampelmännern oder zum Bau von Dörfern aus
Streichhölzern, aber es waren immer noch Stunden übrig. Ich
ernannte Adela zu meiner Assistentin im Fotolabor, und dort
tauschten wir heimlich Bücher aus, ich lieh ihr die, die ich aus
Santiago geschickt bekam, und sie lieh mir ihre
Kriminalromane, die ich begeistert verschlang. Ich wurde zum
ausgefuchsten Detektiv, denn im allgemeinen erriet ich den
Mörder vor Seite achtzig. Das Repertoire war begrenzt, und
auch wenn man die Lektüre hinauszögerte, waren die Bücher
doch bald alle gelesen, also dachten Adela und ich uns ein Spiel
aus - wir veränderten die Handlungen oder erfanden höchst
verwickelte Verbrechen, die dann die andere lösen mußte. »Was
tuschelt ihr beiden eigentlich immer?« fragte meine
Schwiegermutter oft. »Nichts Besonderes, Mama, wir planen
bloß einen Mord«, antwortete Adela mit ihrem unschuldigen
Häschenlächeln. Und Dona Elvira lachte, sie war unfähig, auch
nur zu ahnen, wie richtig die Antwort ihrer Tochter war.
Eduardo als Erstgeborener sollte nach Don Sebastians Tod den
Besitz erben, aber er hatte mit seinem Bruder ein Abkommen
getroffen, wonach sie ihn gemeinsam verwalten würden. Ich
mochte meinen Schwager, er war sanft und verspielt, scherzte
gern mit

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