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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sowie der Schlamm auf den Wegen getrocknet
war, kündigte ich meinem Mann an, ich müsse nach Santiago,
meine Großmutter besuchen. Ich hatte einigen Widerspruch
erhofft, aber ganz im Gegenteil, in weniger als vierundzwanzig
Stunden hatte Diego meine Beförderung im Wagen bis zum
Hafen geregelt, wo ich das Schiff nach Valparaiso nehmen und
von dort mit dem Zug nach Santiago weiterfahren würde. Adela
brannte vor Lust, mich zu begleiten, und das ging so weit, daß
sie sich ihrem Vater auf den Schoß setzte, ihm an den Ohren
knabberte, ihn am Backenbart zupfte und so lange bettelte, bis
Don Sebastian ihr diese neue Laune schließlich nicht länger
abschlagen konnte, obwohl Dona Elvira, Eduardo und Diego
nicht einverstanden waren. Sie brauchten ihre Gründe nicht
anzuführen, ich erriet auch so, daß sie das Ambiente, das sie in
Paulinas Haus wahrgenommen hatten, nicht für angemessen
hielten und dachten, ich hätte nicht genügend Reife, um mich so
um das Kind zu kümmern, wie es sich gehörte. Wir reisten also
ab nach Santiago, begleitet von einem befreundeten deutschen
Ehepaar, das mit demselben Dampfer fuhr. Wir trugen ein
Skapulier mit dem Heiligen Herzen Jesu auf der Brust, das uns
vor allem Bösen schützen möge, amen, das in ein Täschchen
eingenähte Geld unter dem Korsett, genaueste Unterweisungen
im Ohr, nicht mit Unbekannten zu sprechen, und mehr Gepäck,
als für eine Reise um die Welt nötig gewesen wäre. Adela und
ich verbrachten etwa zwei Monate in Santiago, die großartig
hätten sein können, wenn meine Großmutter nicht so krank
gewesen wäre. Sie empfing uns mit vorgetäuschter
Begeisterung, war voller Pläne für Spaziergänge,
Theaterbesuche, einen Ausflug mit dem Zug nach Viña del Mar,
Ozeanluft schnuppern, aber im letzten Augenblick schickte sie
uns dann mit Frederick Williams los und blieb selbst zurück. So
war es auch, als wir eine Kutschenfahrt unternahmen, um Nivea
und Severo in den Weinbergen zu besuchen, die gerade die
ersten Flaschen Wein für den Export vorbereiteten. Meine
Großmutter fand, Vina Paulina klinge zu kreolisch, und hätte
ihm lieber einen französischen Namen gegeben, um ihn in den
Vereinigten Staaten zu verkaufen, wo ihrer Meinung nach keiner
etwas von Wein verstand, aber Severo wollte von einem solchen
Schwindel nichts wissen. Niveas Haarknoten war weiß
gesprenkelt, als ich sie, von ihren kleineren Kindern umgeben,
endlich wiedersah, sie war auch etwas schwerer geworden, war
aber nach wie vor flink, frech und mutwillig. »Ich glaube, ich
bin endlich in die Wechseljahre gekommen, jetzt können wir
uns lieben, ohne befürchten zu müssen, daß wir noch ein Kind
kriegen«, flüsterte sie mir ins Ohr, ohne sich auch nur entfernt
vorstellen zu können, daß einige Jahre später Clara, die
Klarsichtige, zur Welt kommen würde, das seltsamste unter den
in diesem vielköpfigen und skurrilen del Valle-Clan geborenen
Geschöpfen. Die kleine Rosa, deren Schönheit so viele
Kommentare hervorrief, war gerade fünf Jahr e alt. Ich bedaure
es sehr, daß das Foto nicht ihre Farben herausholen kann, sie
sieht aus wie ein Wesen aus dem Meer mit ihren gelben Augen
und dem wie alte Bronze grünen Haar. Schon damals war sie ein
engelhaftes kleines Ding - ein wenig zurück für ihr Alter -, das
wie eine Erscheinung zu schweben schien. »Woher kann sie
bloß stammen? Sie muß eine Tochter des Heiligen Geistes
sein«, witzelte ihre Mutter. Dieses schöne Kind war gekommen,
um Nivea über den Verlust zweier ihrer Kleinen zu trösten, die
an Diphtherie starben, und über die lange Krankheit eines
dritten, dessen Lungen schwer geschädigt waren. Ich versuchte,
mit Nivea darüber zu sprechen
- man sagt ja, es gibt kein
schlimmeres Leid als den Verlust eines Kindes
-, aber sie
wechselte das Thema. Nur soviel konnte sie mir dazu sagen: Seit
ewigen Zeiten hätten die Frauen den Schmerz erfahren, Kinder
zu gebären und sie begraben zu müssen, sie sei darin keine
Ausnahme. »Es wäre sehr überheblich von mir, anzunehmen,
Gott segne mich mit vielen Kindern, die alle länger leben
würden als ich«, sagte sie.
    Paulina war nicht einmal mehr der Schatten der Frau, die sie
einst gewesen, sie hatte alles Interesse am Essen verloren,
ebenso wie am Geschäftemachen, sie konnte kaum gehen, weil
ihre Knie nachgaben, aber im Kopf war sie dennoch völlig klar.
Auf ihrem Nachttisch reihten sich die Fläschchen mit
Medikamenten, und drei Nonnen wechselten

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