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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Art kaum vorbereitet, sie waren zahlenmäßig unterlegen,
dazu schlecht bewaffnet, und das Versorgungswesen versagte so
gründlich, daß mehrere Schlachten und Scharmützel durch den
Mangel an Trinkwasser entschieden wurden oder weil die mit
Munitionskisten beladenen Wagen im Wüstensand
steckenblieben. Chile war ein nach Expansion strebendes Land
mit einer soliden Wir tschaft, es war Herr über die beste Flotte
Südamerikas und über ein Heer von mehr als siebzigtausend
Mann. Es hatte den Ruf eines zivilisierten Staates in einem
Kontinent eher bäurisch derber Oberhäupter, systematischer
Korruption und blutiger Umstürze; die Strenge des chilenischen
Charakters und die Gediegenheit seiner Einrichtungen erregten
den Neid der benachbarten Staaten, seine Schulen und
Universitäten zogen Professoren und Studenten aus dem
Ausland herbei. Dem Einfluß englischer, deutscher und
spanischer Einwanderer war es gelungen, dem hitzigen
kreolischen Temperament ein wenig Mäßigung beizubringen.
Das Heer war preußisch ausgebildet und kannte keinen Frieden,
denn in den Jahren vor dem Salpeterkrieg hatte es sich mit der
Waffe in der Hand behauptet, als es gegen die Indios im Süden
kämpfte in der Zone, die den bezeichnenden Namen La Frontera
- Die Grenze
- trug, denn bis hierher hatte der Arm der
Zivilisation gereicht, jenseits davon begann das unerforschbare
Gebiet der indianischen Eingeborenen, in das sich noch bis vor
kurzer Zeit nur die jesuitischen Missionare hineingewagt hatten.
Die gefürchteten araukanischen Krieger, die seit den Zeiten der
Eroberung ununterbrochen gekämpft hatten, beugten sich weder
den Kugeln noch den schlimmsten Grausamkeiten - sie erlagen
einer nach dem andern dem Alkohol. Die Soldaten, die gegen
sie ins Feld gezogen waren, hatten sich im Wüten geübt. Die
Peruaner und Bolivianer lernten die Chilenen fürchten, diese
blutrünstigen Feinde, die imstande waren, selbst Verwundete
und Gefangene mit Kugel oder Messer zu erledigen. Auf ihrem
Vormarsch verbreiteten die Chilenen soviel Haß und Entsetzen,
daß sie international heftige Abneigung erregten, worauf eine
endlose Serie von Zurechtweisungen und diplomatischen
Streitigkeiten fo lgte und ihre Gegner wütend entschlossen
waren, bis zum Tode zu kämpfen, zumal es ihnen wenig
einbrachte, sich zu ergeben. Die peruanischen und
bolivianischen Truppen waren zusammengesetzt aus einer
Handvoll Offiziere, Kontingenten von schlecht ausgerüsteten
regulären Soldaten und Massen gewaltsam rekrutierter
Eingeborener, die kaum wußten, wofür sie kämpften, und bei
der erstbesten Gelegenheit desertierten. Die chilenischen
Verbände dagegen konnten auf eine große Mehrheit von
Zivilisten zählen, die sich aus patriotischer Leidenschaft
genauso verbissen schlugen wie die Militärs und sich nicht
ergaben. Die äußeren Bedingungen waren oft teuflisch. Auf dem
Marsch durch die Wüste schleppten sie sich in einer Wolke
salzigen Staubes dahin, halbtot vor Durst, bis zu den Schenkeln
im Sand watend, über ihnen eine gnadenlos strahlende Sonne,
das Gewicht ihrer Tornister und Munitionsbehälter auf dem
Rücken, an ihre Gewehre geklammert, verzweifelt. Pocken,
Typhus und Dreitagefieber dezimierten sie, in den
Militärlazaretten gab es mehr Kranke als Verwundete. Als
Severo del Valle zum Heer stieß, nahmen seine Landsleute
gerade Antofagasta ein - die einzige am Meer gelegene Provinz
Boliviens - sowie die peruanischen Provinzen Tarapacá, Arica
und Tacna. Um die Mitte des Jahres 1880, als der
Wüstenfeldzug in vollem Gange war, starb der Kriegs- und
Marineminister an einem Gehirnschlag, was die Regierung in
tiefste Verwirrung stürzte. Endlich ernannte der Präsident einen
Zivilisten für das Amt, nämlich Don José Francisco Vergara,
Niveas Onkel, einen unermüdlichen Reisenden und gierigen
Leser, der nun mit sechsundvierzig Jahren den Säbel
umschnallen mußte, um den Krieg zu leiten. Er war einer der
ersten, die feststellten, daß, während Chile den Norden eroberte,
Argentinien ihnen stillschweigend im Süden Patagonien
abknöpfte, aber keiner kümmerte sich darum, dieses Gebiet
wurde für so nutzlos wie der Mond angesehen. Vergara war
brillant, er hatte feine Umgangsformen und ein umfassendes
Gedächtnis, war an allem interessiert, von der Bo tanik bis zur
Poesie, war unbestechlich und hatte nicht die geringsten
politischen Ambitionen. Die Kriegsstrategie plante er mit
derselben minutiösen Genauigkeit, mit der er seine

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