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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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versehene Gräben angelegt worden.
Außerdem waren im Sand Minen verborgen, die bei Berührung
explodierten. Die beiden Verteidigungslinien waren
untereinander und mit der Stadt Lima durch eine Eisenbahn
verbunden, um den Transport von Truppen, Verwundeten und
Vorräten zu sichern. Severo und seine Kameraden wußten,
schon bevor Mitte Januar 1881 der Angriff begann, daß der Sieg
- wenn er ihnen denn zufallen sollte - viele Menschenleben
kosten würde.
    An jenem Januarabend waren die Truppen bereit zum Marsch
auf die Hauptstadt Perus. Nachdem sie gegessen und das Lager
abgebaut hatten, verbrannten sie alles Holz, aus dem ihre
Unterkünfte bestanden, und teilten sich in drei Gruppen, um im
Schutz des dichten Nebels die feindlichen Befestigungen zu
überrennen. Sie gingen schweigend, jeder mit seinem schweren
Gepäck auf dem Rücken und die Gewehre in Bereitschaft, um
»von vorn und auf chilenische Weise« anzugreifen, wie die
Generäle bestimmt hatten, die wohl wußten, daß die mächtigste
Waffe die Verwegenheit und Wildheit der von Gewalt
berauschten Soldaten war. Severo hatte die mit Branntwein und
Schießpulver gefüllten Feldflaschen herumgehen sehen, eine
hochbrisante Mischung, die die Eingeweide in Flammen setzte,
aber unbezähmbaren Mut auslöste. Er hatte sie einmal gekostet,
aber danach war er zwei Tage lang von Erbrechen und
Kopfschmerzen geplagt worden und zog es deshalb vor, den
Kampf mit kühlem Kopf durchzustehen. Der Marsch in tiefem
Schweigen durch die finstere Ödnis kam ihm endlos vor, trotz
der kurzen Verschnaufpausen. Als Mitternacht vorbei war, hielt
die riesige Soldatenmenge an, um eine Stunde zu rasten. Sie
hatten einen Badeort in der Nähe von Lima überfallen wollen,
ehe es tagte, aber widersprüchliche Befehle und Verwirrung
unter den Kommandierenden verdarben den Plan. Keiner wußte
genau, wie die Dinge bei der Vorhut standen, wo die Schlacht
offenbar schon begonnen hatte, das zwang die erschöpfte
Truppe, ohne Atempause weiterzumarschieren. Dem Beispiel
der anderen folgend, entledigte Severo sich seines Tornisters,
der Decke und der übrigen Ausrüstung, steckte das Bajonett auf
den Gewehrlauf und rannte blindlings vorwärts, aus vollen
Lungen brüllend wie ein wütendes Raubtier, denn nun ging es
nicht mehr darum, den Feind zu überraschen, jetzt war es
soweit, ihm Angst einzuflößen. Die Peruaner erwarteten sie
bereits, und kaum waren sie in Schußweite, als eine Breitseite
Blei auf sie niederging. Zum Nebel gesellten sich Rauch und
Staub und deckten den Horizont mit einer undurchdringlichen
Wolke zu, während die Luft sich mit Entsetzen füllte: Die
Hörner riefen zum Angriff, es kreischte und dröhnte, die
Verwundeten heulten, die Pferde wieherten, die Kanonen
donnerten. Der Boden war vermint, aber die Soldaten rückten
dennoch vor, den wilden chilenischen Schlachtruf brüllend.
Severo sah zwei seiner Kameraden, die wenige Meter entfernt
auf eine Mine getreten waren, zerstückelt durch die Luft fliegen.
Die nächste Explosion konnte ihn treffen, aber er hatte nicht die
Zeit, darüber oder über irgend etwas anderes nachzudenken,
weil schon die ersten Husaren über die feindlichen Gräben
setzten, hineinsprangen, die Krummesser zwischen den Zähnen,
die Bajonette aufgepflanzt, metzelnd und sterbend unter
Strömen von Blut. Die Peruaner, soweit sie überlebt hatten,
zogen sich zurück, und die Angreifer begannen die Anhöhen
hinaufzuklettern und die an den Flanken gestaffelten
Verteidigungsanlagen zu durchbrechen. Ohne zu wissen, was er
tat, erstach Severo mit dem Säbel in der Faust einen Mann und
schoß dann einem anderen, der fliehen wollte, aus nächster Nähe
in den Nacken. Blindes Wüten hatte sich seiner bemächtigt; wie
alle übrigen hatte er sich in eine Bestie verwandelt. Seine
Uniform war zerfetzt und blutbesudelt, ein Darmfetzen eines
andern Menschen hing an seinem Ärmel, die Stimme versagte
ihm vom vielen Schreien und Fluchen, er hatte die Angst ebenso
wie sein eigenes Ich verloren, war nur noch eine
Tötungsmaschine, teilte Schläge aus, ohne zu sehen, wohin sie
fielen, mit dem einzigen Ziel, auf die Kuppe zu gelangen. Um
sieben Uhr früh, nach zweistündiger Schlacht, flatterte die erste
chilenische Flagge auf einem der Gipfel, und Severo, auf der
Anhöhe kniend, sah von oben eine Menge peruanischer Soldaten
in ungeordnetem Rückzug, die sich schließlich im Hof einer
Hazienda vereinigten, wo sie dann in Reih und Glied

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