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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sehr schnell seinen ehemaligen Stand
herausgefunden hätte. Ich nehme an, viele fragten sich, wer ich
denn wohl war und weshalb Paulina mich adoptiert hatte, aber
vor mir wurde das Thema nie angeschnitten; an den
sonntäglichen Frühstückstafeln versammelten sich über zwanzig
Vettern und Cousinen, aber keiner hat mich je nach meinen
Eltern gefragt, es genügte ihnen, daß ich denselben Nachnamen
hatte wie sie, um mich zu akzeptieren.
    Meine Großmutter kostete es mehr Mühe, sich in Chile
einzugewöhnen, als ihren Mann, obwohl ihrem Namen und
ihrem Vermögen alle Türen offenstanden. Sie fand die
Kleinlichkeit und Heuchelei dieses Milieus erstickend und
vermißte die verlorene Freiheit, immerhin hatte sie nicht
umsonst über dreißig Jahre in Kalifornien gelebt; aber sowie sie
die Türen ihres eigenen Hauses öffnete, gab sie im
gesellschaftlichen Leben Santiagos schon bald den Ton an, denn
sie hatte sich im großen Stil und gleichzeitig mit viel Geschick
eingeführt, schließlich wußte sie, wie man in Chile die Reichen
haßte und am meisten die, die mit ihrem Reichtum protzten.
Keine livrierten Lakaien wie die früher in San Francisco,
sondern zurückhaltende Dienstmädchen in schwarzen Kleidern
und weißen Schürzchen; keine sündhaft teuren Festivitäten,
sondern sittsame Geselligkeiten im vertraulichen Familienkreis,
um nicht als geschmacklos beklatscht zu werden oder gar als
neureich, das schlimmstmögliche Beiwort. Sie benutzte
natürlich ihre luxuriösen Kutschen, ihre beneidenswert rassigen
Pferde und ihre Privatloge im Stadttheater mit kleinem Vorsaal
und Büfett, wo sie ihren Gästen Eis und Champagner anbot.
Trotz ihres Alters und ihrer stattlichen Figur war Paulina del
Valle in Modedingen führend, kam sie doch gerade aus Europa,
und man konnte wohl annehmen, daß sie über alles im Bilde
war, was Mode und moderne Welt anging. In dieser strengen,
etwas furchtsamen Gesellschaft trat sie auf als ein Fanal fremder
Einflüsse, die einzige Dame ihrer Kreise, die Englisch sprach,
Zeitschriften aus New York und Paris erhielt, Stoffe, Schuhe
und Hüte direkt aus London bezog und öffentlich die gleichen
Zigaretten rauchte wie ihr Sohn Matías. Sie kaufte
Kunstgegenstände, und auf ihren Tisch kamen nie vorher
gesehene Gerichte, denn selbst in den hochmütigsten Familien
aß man noch wie die rauhen Kapitäne aus der Zeit der
Eroberung: Suppe, Puchero, Braten, Bohnen und schwere
ländliche Nachtische. Als meine Großmutter zum erstenmal pâté
de foie gras und französische Käsesorten auftragen ließ, konnten
das nur die Herren essen, die schon einmal in Europa gewesen
waren. Beim Geruch der Camemberts und Ports-Saluts wurde
einer Dame so übel, daß sie überstürzt das Badezimmer
aufsuchen mußte. Das Haus meiner Großmutter wurde
Treffpunkt von jungen Malern und Literaten beiderlei
Geschlechts, sie kamen hier zusammen, um ihre Werke
vorzustellen, die sich im übrigen ängstlich in dem gewohnten
Klassenrahmen hielten; wenn der jeweilige Künstler nicht weiß
war oder keinen bekannten Namen hatte, mußte er sehr viel
Begabung vorzeigen können, um anerkannt zu werden, in dieser
Hinsicht unterschied Paulina sich nicht vom Rest der vornehmen
chilenischen Gesellschaft. In Santiago spielten sich die Treffen
der Intellektuellen in Cafés oder Klubs ab, und nur Männer
nahmen daran teil, weil man nun mal von dem Grundsatz
ausging, die Frauen sollten lieber die Suppe umrühren, statt
Gedichte zu schreiben. Die Initiative meiner Großmutter,
Künstlerinnen in ihren Salon aufzunehmen, war eine recht
ausschweifende Neuheit. Mein Leben änderte sich in dem Haus
in Santiago. Zum erstenmal seit dem Tod meines Großvaters
Tao Chi’en hatte ich ein Gefühl von Stabilität, das Gefühl, in
etwas zu leben, das sich nicht ständig bewegte und veränderte,
eine Art Festung mit sicher im Boden verankerten
Grundmauern. Ich nahm das ganze Gebäude im Sturm, ließ
keinen noch so engen Flur unentdeckt, keinen Winkel
unerforscht bis hinauf aufs Dach, wo ich stundenlang die
Tauben beim Turteln beobachtete, und bis in die
Dienstbotenräume, obwohl mir verboten worden war, sie zu
betreten. Der riesige Bau grenzte an zwei Straßen und hatte zwei
Eingänge, einen Haupteingang an der Straße Ejército Libertador
und den für die Dienerschaft an der hinteren Straße, und
Dutzende vo n Sälen, Zimmern, Terrassen, Schlupfwinkeln,
Dachböden und Treppen. Es gab einen roten Salon, einen blauen
und

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